1873 -
Hildburghausen
: Gadow
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 10
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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selten anders als selbander auf die Löwenjagd, und recht
fertige Schützen, die ihres Schusses gewiß sind und sich dar-
auf verlassen können, daß ihr Gewehr nicht versagt, wagen
es auch wohl, ganz allein die Spur eines Löwen zu ver-
folgen und ihn ' in seinem Schlupfwinkel aufzusuchen. Ge-
fährlich bleibt ein solches Unternehmen allerdings, und man
erlebt häufige Unglücksfälle. Hier ein paar Beispiele.
Der Feld-Kommandant Tjaard van der Wald und
sein Bruder Johannes verfolgten nicht weit von ihren
Wohnplätzen, am östlichen Abhange der Schneeberge, die
Spur eines großen Löwen, der unter ihren Heerden
großen Schaden angerichtet hatte, und fanden ihn endlich
in einer mit rauhem Gebüsche bewachsenen Schlucht. Sie
nahmen ihre Stellung zu beiden Seiten des Ausgangs
und schickten ihre Hunde hinein, um den Löwen heraus-
zujagen. Das glückte denn auch; der Löwe stürzte nach
der Seite des letztgenannten Bruders hervor, legte sich
zum Sprunge und ward von ihm geschossen. Unglück-
licher Weise hatte aber der Schuß nicht recht getroffen,
sondern nur das Ohr und die eine Seite der Brust
gestreift. Nach einer kurzen Betäubung von wenigen
Sekunden erholte sich das Thier und stürzte nun wüthend
vor Schmerz mit solchem Grimm auf den Jäger, daß er
kaum Zeit hatte, sich auf's Pferd zu werfen und noch
einen Versuch zum Entfliehen zu machen. Aber in wenig
Sätzen hatte ihn der Löwe ereilt, war dem Pferde auf
den Rücken gesprungen, das nun, niedergedrückt von der
Last, nicht mehr von der Stelle kommen konnte, und schlug
seine Tatzen dem Unglücklichen in die Schenkel, mit
den Zähnen zugleich ihn an den Unterkleidern packend.
Indessen er sich mit aller Kraft an das Pferd klammert,
um nicht heruntergerissen zu werden, hört er seinen Bru-
der hinter sich herangalopiren und ruft ihm zu, nur um
Gotteswilleu loszuschießen, möge es treffen, wen es wolle.
Der wackere Tjaard springt vom Pferde, legt ruhig au und
schießt den Löwen durch den Kopf, und wunderbar glücklich
schlägt die Kugel durch den Sattel, ohne weder Roß noch
Reiter zu verletzen.
Nicht so glücklich war ein Anderer, Namens Rends-
burg, der mit einem Vetter eben dieses Namens auf die
Löwenjagd ging. Das Abenteuer nahm ganz denselben
Gang, aber der Löwe sprang von der Seite auf den
Reiter los und packte mit den Zähnen dessen linken Arm.
Der feige Gefährte, statt dem Unglücklichen beizustehen,