1873 -
Hildburghausen
: Gadow
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 10
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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ein Stein oder Spiegel, die man im Winter aus der Kälte
hinein bringt in die warme Stube, und die beide feucht
werden. Das Wasser läuft dann an den Wänden der
Bergritzen hinunter und hiesst unten als Quelle heraus.
Es gibt gar viele Quellen, die Salz-, andere, die
Eisen- oder Schwefeltheile in sich haben. Es gibt auch
Quellen, wie zum Beispiel den Bullenborn im Paderbomi-
schen, die abwechselnd in regelmässigen Zwischenzeiten
Wasserinmenge ausströmen, dann wieder damit einhalten.
Die Quellen laufen zu Bächen zusammen, diese zu
Flüssen, die Flüsse vereinigen sich zu Strömen, und diese
gehen am Ende ins Meer. Dieses verdeckt uns nun frei-
lich mit seinem Gewässer, das an manchen Orten wohl
ebenso tief sein mag, als die höchsten Berge hoch sind,
fast dreiviertel von unserer Erdoberfläche. Aber unten
im Meeresgrund ist wieder dieselbe Abwechslung von
Höhen und Tiefen, von ganzen Bergzügen und Thälern,
wie auf dem festen Lande. Man sieht dieses, wo sich
solche unter dem Wasser gelegenen Berge bis hinan an
die Oberfläche desselben erheben, mit blossen Augen, oder
die Schiffsleute fühlen es und bemerken es mit ihren An-
keru. Und da zum Beispiel der grosse feuerspeiende Berg
Avatcha auf Kamtschatka im Jahr 1773 einen Ausbruch
machte, da trat das Meer meilenweit vom Ufer zurück,
und die auf die Höhen geflüchteten Bewohner der Küste
sahen mit Schrecken in seine grause Tiefe, in seine Berge
und Thäler, die nun aufgedeckt da lagen, hinein. Aber
gleich darauf kam das Meer wieder und trat nun mit sol-
cher Gewalt über das Ufer hinüber, dass es bis zu neunzig
Ellen Höhe hinaufstieg und viele ziemlich weit landein-
wärts stehen de Häuser und Bäume wegriss und wegspülte.
Wenn daher auf einmal das Meer abgelassen werden
könnte, würde es in seiner Tiefe auch nicht viel anders
aussehen, als auf vielen Stellen unserer Erdoberfläche.
Wir würden da grosse lange Sandflächen und Berge von
Kalk und Gyps sehen, die sich aus dem anfänglichen Ge-
wässer gebildet haben, alle untermischt mit häufigen Mu-
scheln und andern Seethier-Ueberresten. Denn wenn man
unsere meisten Berge ansieht, bemerkt man gar leicht,
dass sie auch einmal alle unterwasser gestanden, ja dass
sie in einem grossen Meere und unter einem grossen Meere
gebildet worden sind. Denn viele von ihnen sind ganz er-
füllt von Muschel- undseethier-Ueberresten, und auf man-
chen Bergen von Neuholland, die sehr hoch sind und jetzt
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