1900 -
Stuttgart
: Daser
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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haut, da erscheint die Steinkohle wie ein rettender Engel, der zu
dem über Holzmangel betroffenen Menschen spricht: „Seht, der gute
Schöpfer hieß schon vor Jahrtausenden mich werden im dunkeln
Schoße der Erde, auf daß ihr nun mit meinem Reichtume eure
Armut bedecken möget."
Vor tausend und aber tausend Jahren, ehe noch ein mensch-
licher Fuß auf der Oberfläche der Erde wandelte, wurden die Schätze
bereits versenkt, welche nun das Menschengeschlecht begierig aus dem
Schoße der Erde wühlt. In jener Urzeit ward eine Pflanzenwelt
hervorgerufen, welche in ihrer Üppigkeit und Größe die jetzige bei
weitem übertraf. Da wuchsen riesige Farnkräuter mit dicken, 15 — 16 m
hohen Stämmen und zierlich zerteiltem Laubwerk. Da sproßten
baumhohe Bärlapparten und scharfe rohrähnliche Kalmussteugel von
der Höhe und Stärke unsrer Obstbäume und zwar an Orten, wo
jetzt nur noch Torfmoos und Teichrohr und Binsen wachsen. Doch
in den gewaltsamen Umwälzungen des Erdballes wurde jenes Riesen-
geschlecht von Pflanzen dem Untergange geweiht, und auch dann
noch, als schon die jetzige Gestalt der Dinge immer mehr Raum
gewann, mochte noch mancher baumreiche Wald verschüttet werden
und aus dem Moder untergegangner Geschlechter manch Neues
hervorblühen. So entstanden mächtige Pflanzenlager. Der Druck
von oben und die Wärme von unten wirkten zusammen, diese Holz-
massen zu verkohlen. An vielen Steinkohlen, welche dem bloßen
Auge nur wie ein dichter, glänzender Stein erscheinen, hat das Ver-
größerungsglas noch den zelligen Bau der Pflanzen entdeckt, und
hier und da lagert in der schwarzen Masse noch ein deutlich zu er-
kennender Baumstamm, und besonders häufig finden sich Abdrücke
von Farnkräutern.
Wieviel Reichtum ruht noch in der Erde, wie viele Wälder
stecken schon in einem einzigen solchen Steinkohlenlager! Wie lange
sind schon die englischen Kohlenbergwerke ausgebeutet worden! Aber
je weiter man gräbt, desto unerschöpflicher scheint der Vorrat zu
werden. Auch Deutschland hat reiche Kohlenlager im Königreich
Sachsen, in Oberschlesien, an der Ruhr und im Saargebiet, deren
Kohlen an Güte den englischen nahe kommen. Denn die Beschaffen-
heit der Steinkohle ist sehr verschieden, je nachdem Schwefel und
andre Mineralien ihr beigemischt sind oder der Kohlenstoff möglichst
rein vorhanden ist.
Doch nicht genug, daß der Mensch durch die Steinkohle brät
und kocht, er weiß auch,, den rußigen schmutzigen Rauch zu benutzen,
der eine Menge von Öl und Leuchtgas in sich birgt. Diesen
flüchtigen, rohen Gesellen fängt man auf und zwingt ihn, das ab-
zuliefern, was er in alle Lüfte mit fortzuführen gedachte, und es
fließt dann aus den eisernen Röhren, worin man ihn gefangen hielt,
der dicke, schwarze Teer, und es strömt auch das leichtluftige Gas
heraus, das in reinster, hellster Flamme die Nächte auf Erden er-
leuchtet. In den Sälen, aus Flur und Treppe der Paläste, wie