1914 -
Karlsruhe i.B.
: Braun
- Autor: Fritz, Trude, Ischler, Otto, Eichrodt, Hellmut, Rebmann, E., Ruska, J., Eichrodt, O., Fritz, Otto, Skarphagen, Hans, Ruska, J., Walter, M., Lauer, K.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfs- und Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Wall, den sie auf der steilen Außenseite durch starke Pfähle festigten. Außerdem
lief dort noch ein tiefer und breiter Gräbern hin. Die Innenseite fiel all-
mählich ab; hier war eine breite Militärstraße angelegt, an welcher man
von Zeit zu Zeit kleine
Wachthäuschen und star-
ke, festungsartigekastelle
antraf; in diesen lag be-
ständig eine militärische
Besatzung. Befestigte
Durchgänge führten ins
jenseitige freie Ger-
manien hinein. Dieser
Grenzwall zog sich von
Regensburg westwärts
bis zum Hohenstaufen
und von hier in nörd-
licher Richtung über
Osterburken (hier wor-
ein Kastell) und Wall-
dürn bis Miltenberg am
Main; das letzte Stück
führte über das Taunuskastell „Saalburg" (bei Homburg) an den Rhein unter-
halb Koblenz. Drohte an einer Stelle ein Überfall, so wurden durch Trommeln
und Tubatöne oder nachts durch Feuerzeichen die benachbarten Truppen zur
Abwehr herbeigerufen.
Das Land innerhalb dieses Grenzwalles hieß das Zehntland, weil die
Bewohner den Zehnten an Vieh und Feldsriichten an die Obrigkeit abliefern
mußten. In dem schwach bewohnten Lande siedelten sich Gallier von jenseits
des Rheins und ausgediente römische Soldaten an. Sie rodeten den Wald aus,
entwässerten die Sümpfe durch Abzugsgräben und bebauten das so gewonnene
Land mit einheimischen und fremdländischen Gemüsen und Getreidearten; auch
edle Obstsorten pflanzten sie an. — In größeren Orten trieben sie allerlei Ge-
werbe, so das Töpfer- und Schnsiiedehandwerk. — Wo heiße Quellen dem Boden
entquollen, wurden sie zur Anlage kunstvoller Bäder beniitzt; noch heute
sind ihre Ruinen in Baden und Badenweiler zu sehen. — Wohlgepslegte
Straßen durchzogen das Land. Um die Kastelle der römischen Besatzungen
siedelten sich Handwerker und Ackerbauer in großer Zahl an, so daß aus ihnen
oft bedeutende Städte hervorgingen; Wien, Augsburg, Bregenz, Konstanz,
Basel, Breisach, Baden, Pforzheim, Straßburg, Speyer, Heidelberg, Worms,
Mainz, Koblenz, Cöln, Trier waren ehemals römische Ansiedlungen.
Kühne Händler wagten sich mit römischen Waren jenseits des Grenzwalls
ms freie Germanien hinüber (siehe Seite 177). Dorthin brachten sie kunstvolle
Waffen, Schmucksachen, bunte Tücher und Wein und tauschten dagegen solche
Dinge ein, welche die Römer besonders schätzten: Pelzwerk, rohen Bernstein und
Frauenhaare; letztere galten nämlich bei den Römerinnen als kostbarer Schmuck.
So entwickelte sich zwischen den Römern und Germanen vom Zehntland aus ein
lebhafter friedlicher Verkehr.
Der Reichtum der Ansiedler lockte jedoch die benachbarten Alemannen zu
wiederholten Beutefahrten. Trotz des Grenzwalls drangen sie immer häufiger
Römer am Grenzwall.