1914 -
Karlsruhe i.B.
: Braun
- Autor: Fritz, Trude, Ischler, Otto, Eichrodt, Hellmut, Rebmann, E., Ruska, J., Eichrodt, O., Fritz, Otto, Skarphagen, Hans, Ruska, J., Walter, M., Lauer, K.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfs- und Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Königsschloß zu Versailles mit seinen goldgeschmückten Sälen und meilenweiten
Gärten noch heute Bewunderung erregt. Hier führte Ludwig, umgeben von
stolzen Prinzen und adeligen Damen, ein ebenso verschwenderisches als sitten-
loses Leben. Das Volk aber mußte dem Herrscher durch Steuern gmd Abgaben
die Mittel zu jenen Prunkbauten und zu den Festlichkeiten verschaffen, die den
Hof zu Versailles ergötzten. Auch das starke Heer, das König Ludwig ständig
unterhielt, erforderte große Geldmittel. Während aber früher das Parlament zu
Paris (eine Art Reichstag) bei den Steuern mitberaten durste, glaubte Lud-
wig Xiv. nach dem Grundsatz „der Staat bin ich" dein Volke ganz nach eigenem
Ermessen immör neue Steuerlasten cmfiegert zu dürfen. — Jede andere Meinung
als die eigene war dem Könige verhaßt; daher verfolgte er die vielen Prote-
stanten in Frankreich mit blutiger Strenge. Ganze Scharen verließen damals
um ihres Glaubens willen Haus und Heimat, um sich irgendwo in der Fremde
eine neue Wohnstatt zu suchen. In Holland und Brandenburg, namentlich aber
auch in Baden war man gern bereit, die durch den dreißigjährigen Krieg ver-
ödeten Landstriche mit diesen frommen und tüchtigen Menschen neu zu bevöl-
kern. Aus ihren Ansiedelungen entstanden damals bei uns die Dörfer Wclsch-
neurent und Friedrichstal, Palmbach, Friedrichsfeld u. a. Viele der Vertriebenen
fanden auch in den Städten gastliche Ausnahme und betrieben mm hier kunst-
volle Gewerbe, die man bisher nur in Frankreich gekannt hatte; so wurde die
Seidenweberei und Spiegelfabrikation, die Herstellung feiner Töpferwaren durch
französische Fliichtlinge in Deutschland eingeführt.
Verwüstung der Pfalz. Gewalttätig wie gegen das eigene Volk trat Lud-
wig Xiv. auch gegen die Nachbarländer auf. Seine überlegenen Heere nahmen
in Holland, Italien und Spanien ohne jedes Recht ganze Provinzen in Besitz.
Am schwersten aber hatte Deutschland unter der unersättlichen Eroberungssucht
des Franzosenkönigs zu leiden. Nachdem Frankreich im Dreißigjährigen Kriege
fast das ganze Elsaß an sich gerissen hatte, besetzte Ludwig plötzlich mitten im
Frieden die alte Reichsstadt Straßburg, ohne daß der deutsche Kaiser dem frechen
Raub wehrte (1681). Andere Raubziige folgten, und diese richteten sich gegen
die Pfalz.
Es hatte nämlich die pfälzische Prinzessin Elisabeth Charlotte den Bruder
des französischen Königs geheiratet. Mit Abscheu sah die vortreffliche deutsche
Frau das leichtsinnige Leben am französischen Königshof. Nie hat sie die Sehn-
sucht nach dem eigenen Vaterlande ganz überwunden, und am liebsten auch nannte
sie sich mit ihrem Pfälzer Namen Liselotte. Bei ihrer Verheiratung hatte sie auf
alle Erbansprüche an die Länder ihres Vaters Verzicht geleistet. Dennoch erhob
Ludwig Xiv. gegen ihren Willen Ansprüche auf die linksrheinische Pfalz, und da
der Kurfürst nicht freiwillig nachgab, so verhängte der König alle Schrecken des
Krieges über das unglückliche Land.
Unter grausamen Befehlshabern wie Louvois (fpr. Luwoa) und Melac dran-
gen französische Heere ungehindert in die Pfalz ein, um sie auf Ludwigs aus-
drücklichen Befehl in eine Wüste zu verwandeln. Die Ernte wurde auf dem
Halm niedergebrannt, das Vieh weggetrieben, die Bewohner ausgeplündert
und barbarisch mißhandelt. Das feste Heidelberg konnte mit seiner schwachen
Besatzung der französischen Übermacht nur geringen Widerstand leisten. Zwei-
mal (1689 und 1693) wurde es eingenommen und hatte jedesmal alle Greuel
der Plünderung auszuhalten. Das herrliche Pfalzgrafenschloß, der Stolz deut-