1873 -
Berlin
: Stubenrauch
- Autor: Wetzel, Friedrich, Richter, Carl, Menges, Heinrich, Menzel, J.
- Auflagennummer (WdK): 32
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
133
Die Handwerker in der Stadt bilderen eine Innung oder
eine Zunft; solcher Zünfte gab es mehrere, z. B. die der Knochen-
hauer oder der Fleischer, der Bäcker, der Gewandschneider, der
Schuhmacher. Es wurde Niemand als Meister in eine Zunft
ausgenommen, der nicht sein Handwerk gründlich verstand, und
der nicht durch ein Meisterstück die Probe abgelegt, daß er
nicht umsonst in der Fremde sich umgethan hatte. Die Meister
kamen öfters zusammen und beriethen, was ihrem Handwerk noth
that. Dabei hielten sie auf Ehre und gute, biedere Sitte. Die
Gesellen und Lehrlinge wohnten in des Meisters Hause und ge-
hörten mit zum Hauswesen. Wie sie an dem Tisch des Herrn
mitaßen, so nahmen sie auch Theil an den Leiden und Freuden
des Hauses. Das band die Herzen fester zusammen, als es heut
der Fall zu sein pflegt. Wenn der Hausherr zumal in den Wegen
Gottes blieb, so war das wohlthätig für seine Hausgenossen, die nun
sahen, worauf eines Hauses Segen am besten erbaut wird. Freilich
gab es auch damals gottlos Volk genug; aber wo giebt es das nicht?
Die Bürger vom alten Berlin trieben auch Handel. Die
Spree ist kein großer Fluß; aber er war belebt von den Kähnen,
Welche Waaren brachten und fortführten. Wohin man zu Wasser
nicht gelangen konnte, dahin sandte man die Güter zu Lande.
Die Wege waren freilich nicht die besten und obenein nicht sicher.
Manchem Ritter dünkte es keine Schande, mit seinen Reisigen
den Gütern der reichen Berliner aufzulauern und sie wegzuneh-
men. Aber die Städter sahen sich vor, und wenn sie eine Reise
machten, thaten sich mehrere zusammen und nahmen auch wohl
zum. Schutze ein Fähnlein bewaffneter Knechte mit. Der Handel
brachte Reichthum in die Stadt. Wer aber blanke Thaler hat,
kommt leicht zu Macht und Ansehen in der Welt, und das war
damals schon so. Die alten Familien, welche auch die Geschlechter
hießen, kamen in den Rath und standen in hohem Ansehen, wenn
sie das Wohl der Stadt eifrig förderten. Wenn sie dann auch
dem gemeinen Manne von ihrem Ueberflusse etwas zukommen
ließen und waren dabei nicht hochmüthig, so gewannen sie des
Volkes Herz. Ost freilich war man ihnen nichr sonderlich wohl-
gesinnt. — In den Häusern auch der Reichen herrschte einfache,
biedere Sitte. Doch hat es auch Zeiten gegeben, wo mau allzu-
viel Prunk trieb und bei Festlichkeiten über Gebühr aß und trank.
Dann hat der Rath wohl befehlen müssen, daß das künftig un-
terbleiben solle, mit schweren Strafen gedroht und vorgeschrieben,
wie viel Gerichte bei einem Kindtausschmause oder der einer Hoch-
zeit auf die Tafel gestellt werden dürften, und wie lange das Fest
dauern solle.
Die Städte der alten Zeit mußten manche Fehde bestehen
und manchen harten Strauß aussechten, besonders mit den Rit-