1873 -
Berlin
: Stubenrauch
- Autor: Wetzel, Friedrich, Richter, Carl, Menges, Heinrich, Menzel, J.
- Auflagennummer (WdK): 32
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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der berühmte Statthalter Friedrich Heinrich von Oranien. Als
man ihn am holländischen Hofe zu einem schlechten und sündhaf-
ten Leben verführen wollte, hat er tapfer widerstanden, wiss
einem christlichen und fürstlichen Jüngling geziemt, und das schöne
Wort gesprochen: „Ich bin's meinen Eltern, meiner Ehre und
meinem Lande schuldig!" Als der Herzog von Oranien das ver-
nommen , hat er ihm freundlich auf die Schulter geklopft und
dabei gesagt: „Vetter, Ihr habt das gethan; Ihr werdet noch mehr
thun. Des Größten und Edelsten ist fähig, wer sich selbst zu
besiegen vermag." —- Sein Volk wußte das. Darum blickte es
voll Hoffnung auf ihn. Er bestieg den Thron seiner Väter mir
unentweihter Jugend. Wer die stattliche Erscheinung sah, dir
hohe, freie Stirn, das milde Feuer des blauen Auges, der konnte
hoffen, daß der junge Fürst ein Retter seines Volkes werden würde.
Seine Lage war schwierig genug. Noch war der schreckliche Krieg
nicht zu Ende; er hat noch acht lange Jahre das deutsche Land
verwüstet. Das Schlimmste war, daß der neue Kurfürst nicht Herr
seines Landes war; sein Stammland war theils von den Schwe-
den, theils von den Kaiserlichen besetzt. In den Festungen lagen
kaiserliche Soldaten. Es ist sonst Brauch, daß, wenn ein Fürst
stirbt, und fein Sohn wird Regent, die Soldaten dem neuen Herr-
scher Treue schwören. Die Generale des Kurfürsten verweigerten
den Fahneneid und sagten, sie hätten schon dem Kaiser Treue ge-
schworen; des alten Eides müßten sie erst quitt sein, auch andere
Fahnen haben. Da galt es denn Klugheit. Friedrich Wilhelm
hat es zu erreichen gewußt, daß drei Regimenter gebildet wurden,
die sein eigen waren. Nun erst konnte er auch ein Wort mit-
sprechen und sein Land vertheidigen. Er konnte freilich dem Kriege
nicht gebieten, daß er schweige; er hat es auch noch erleben müs-
sen, daß die Mark durch die Kaiserlichen verheert wurde. Doch
kam endlich 1648 der! Friede zu Stande.. Fürsten und Völker
waren des vielen Blutvergießens herzlich müde. In der Freude
darüber hat der Prediger Rinlarr das schöne Lied: „Nun danket
Alle Gott" gedichtet. Dazumal mag wohl der zweite Vers mit
besonderer Inbrunst gesungen worden sein, der heißt:
Der ewig reiche Gott
woll' uns bei unserm Leben
ein immer fröhlich Her;
und edlen Frieden geben!
Der Kurfürst aber erhielt im Frieden Halberstadt, Minden,
Magdeburg, Hinterpommern und Kammin. Leid war es ihm, daß
er einen Theil Pommerns, den man Vorpommern nennt, den
Schweden lassen mußte.
Nunmehr konnte der Kurfürst getrosten Muthes anfangen.
d:e Wunden des Landes zu heilen. Manchmal freilich war er