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1. Schul-Lesebuch - S. 220

1873 - Berlin : Stubenrauch
220 an 300 arme Kinder. Als nun das Haus gar zu voll war, schaffte Johannes Rath. Für 5000 Thaler erstand er käuflich den Lutherhof. Da wurde also gesackt und gepackt und geschleppi und getragen; und weil viele Hände bald ein Ende machen, so währte es nicht lange, bis alle Habseligkeiten ins Luthergäßchen hinübergeschafft und das ganze Nest mit den 300 Küchlein in den altergrauen Mauern geborgen war. Da nun aber der Lurherhof gar sehr wüste und leer war, Maurer und Zimmerleute auch nicht konnten gedungen werden, mußten die Jungen selber sehen, wie sie fertig wiirden. Und damit sing das Mauern, Zimmern und Hobeln an, früh und spät und spät und früh, und mit solcher Fröhlichkeit, mit Lust und Gesang, daß, wenn Luther noch ein- mal in das alte Haus getreten wäre, er vor Freuden in die Hände geklatscht und sicherlich fix mit Hand angelegt hätte. Mancher Freund, dem die Sache gefiel, gab zu dem Ban willig sein Scherf- lein, und als vier Sommer ins Land gegangen waren, war aus dem alten Lutherhofe ein neuer Lutherhof geboren; aber der alte Luthergeist waltete noch darin, gläubig und kräftig. Wie zum Schluß Alles fertig dastand, fest und sauber, wie aus dem Ei ge- schalt: —- das war eine Freude! denn kein Ziegel auf dem Dach, den nicht die Knaben gelegt, und kein Stuhl und Tisch, den nicht die Knaben bereitet, und kein Schloß an der Thür, das nicht die Knaben gefügt hätten, die armen, aus Sünden geret- teten Knaben. Diese stillen Mauern sind die Gebnrtsstätte für viel reiches Leben geworden. Wer jetzt durchs weimarische Land ginge, der würde noch manchen Handwerksmeister und manchen gottesfürch- tigen Schullehrer finden, der einst auf dem Lutherhofe hat beten und arbeiten gelernt, und dem der Name Johannes Falk in dankbarem Gedächtniß steht. Ja, die Kunde dieses durch die That sich bewährenden, dienenden und rettenden Glaubens wurde wie vom Winde in die Nähe und Ferne getragen, und aus dem edlen Samen zum Heile der armen, verkümmernden Jugend ist viel edle Frucht erwachsen. In Deutschland nicht nur, sondern in Frankreich, England und Rußland wurden Anstalten gegrün- det, die wie jene die Verlorenen sammelten, und in denen das verachtete Kreuz des Herrn wieder aufgerichtet ward. Gott hatte seinem Knechte noch eine Prüfungszelt vorbehal- ten. Eine schwere Krankheit warf ihn darnieder; auf langwie- rigem Siechbette, geplagt von unsäglichen Schmerzen, bereitete er sich zum seligen Sterben. Und am 14. Februar des Jahres 1826, Abends 7 Uhr, ist Johannes Falk in einem Alter von 56 Jahren, den Namen seines Heilandes auf den Lippen, sanft und selig entschlafen.
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