1873 -
Berlin
: Stubenrauch
- Autor: Wetzel, Friedrich, Richter, Carl, Menges, Heinrich, Menzel, J.
- Auflagennummer (WdK): 32
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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da er in sein vierzehntes Jahr ging, hat ihn sein Vater gen
Magdeburg in die Schule gesandt, welche damals vor vielen
andern weit berühmt war. Daselbst ist Martin, wie manches
ehrlichen und wohlhabenden Mannes Kind, nach Brot gegangen
und hat vor den Bürgerhäusern gesungen. Was groß soll werden,
muß klein angehen; wenn die Kinder zärtlich und herrlich erzogen
werden, schadet es ihnen ihr Leben lang.
Im folgenden Jahr hat Martin, auf Befehl seiner Eltern,
sich nach Eisenach begeben, wo er seiner Mutter Freundschaft hatte.
Als er daselbst auch eine Zeit lang vor den Thüren sein Brot
ersang, nahm ihn eine fromme Frau zu sich an ihren Tisch, die-
weil sie um seines Singens und herzlichen Gebetes willen ihn
lieb gewonnen hatte.
Im Jahre 1501 sandten ihn seine Eltern gen Erfurt auf
die hohe Schule. Hier begann er, mit großem Ernste und beson-
derem Fleiße zu studiren. Ob er wohl von Natur ein hurtiger
und fröhlicher Gesell war, fing er doch alle Morgen sein Lernen mit
herzlichem Gebete an; wie denn dies sein Sprüchlein gewesen ist:
Fleißig gebetet ist über die Hälfte studirt. Dabei ver-
säumte er keine Lektion, fragte gern seine Lehrer und besprach sich
in Ehrerbietung mit ihnen.
Einstmals, da er in der Büchersammlung der hohen Schule
sich die Bücher nach einander besieht, daß er die guten kennen
lerne, kommt er über die lateinische Bibel, die er zuvor nie gese-
hen. Da vermerkt er mit großem Verwundern, daß viel mehr
Texte, Episteln und Evangelien darin wären, denn man in Po-
stillen und auf den Kanzeln pstegte auszulegen. Wie er im alten
Testamente sich umsieht, kommt er über Samuels und seiner
Mutter Hanna Historien; die durchlieft er eilends mit herzlicher
Lust. Und weil ihm das Alles neu war, sängt er an, von Grund
feines Herzens zu wünschen, Gott wolle ihm dermaleinst auch ein
solches Buch bescheeren; welcher Wunsch ihm reichlich ist gewährt worden.
Im Anfange des Jahres 1505 ward Martin Luther Magister
zu Erfurt. Am Ende des Jahres, da ihm ein guter Geselle
(Alexius) erstochen ward, und ein großes Wetter und heftiger
Donnerschlag ihn hart erschreckte, und er sich ernstlich vor Gottes
Zorn und dem jüngsten Gerichte entsetzte, beschloß er bei sich
selbst, ins Kloster zu gehen, allda Gott zu dienen und die ewige
Seligkeit zu erwerben. Darum wurde er ein Augustiner-Mönch
zu Erfurt.
Die Klosterleute hielten den Luther hart und legten ihm viel
aus. Er mußte Kirchner sein, gemeine Hausarbeit verrichten, ja
mit dem Bettelsack umherwandern. Sobald ^r aber Zeit hatte,
studirte er besonders fleißig in seiner lateinischen Bibel. Wenn
ihn die Mönche dabei fanden, so murrten sie und sprachen: „Nicht