1873 -
Berlin
: Stubenrauch
- Autor: Wetzel, Friedrich, Richter, Carl, Menges, Heinrich, Menzel, J.
- Auflagennummer (WdK): 32
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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und Saatfelder umkränzen das nordwestliche Ufer. Aus den Büschen ertönt
das Lied der Drossel und Nachtigall und aus den Felsenhöhlen von Magdna
die Stimme der wilden Taube.
In diesem gesegneten Seethale drängte sich sonst eine unermeßliche Volks-
menge im rührigsten Verkehre. Blühende Städte und Flecken, wie Kapernaum,
Chorazin, Bcthsmda, Magdala, Liberias sammt ihren reizvollen Gärten, Fel-
dern und Obsthainen umgürteten den See. Gegen zwölfhnndert Fischer fanden
hier ihre Nahrung; dnttehalbhundert Fahrzeuge durchkreuzten den Wasserspiegel.
Hier war der heitere, gesegnete Schauplatz der Wirksamkeit des Herrn. Hier
erlas er sich die tüchtigsten seiner Apostel; hier und im ganzen Umkreise dieser
Gestade predigte er von dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit; hier
heilte er Viele, die von Krankheit und Seuche geplaget waren.
Aber von Kapernaum, „die bis in den Himmel erhoben war," von
Chorazin und Bethsaida, den Städten, „in welchen am meisten seiner
Thaten geschehen und hatten sich doch nicht gebessert," ist keine Spur mehr zu
finden, als wären sie „bis in die Hölle hinunter gestoßen." Die Wälder und
Weingärten sind von den Hügeln verschwunden; Palmen-, Feigen- und Oliven-
bäume stehen nur noch vereinzelt umher.
Dicht am See auf einer schmalen Ebene, fünf Viertelstunden von Mag-
dala, von wo Maria Magdalena stammte, liegt Liberias, welches Herodes
Autipas erbauete. Heut ist die Stadt klein und unansehnlich und liegt halb
in Trümmern. — Von dem Südende des Sees Liberias beginnt das Jor-
danthal, welches sich 25 Stunden weit, bis zum todten Meere hin, absenkt.
Zu beiden Seiten wird es von felsigen Kalkgebirgen begleitet. Die hohen
Wände des Thales drängen die Sonnenhitze in ihm zusammen und wehren den
kühlenden Westwinden den Zutritt. Das Wasser des Flnffes ist trübe und gehl
in rascher, aber geräuschloser Strömung. Im Sommer ist der Fluß seicht;
aber im Frühling wächst er an Tiefe und reißender Schnelle. Seine Ufer sind
dicht mit Buschwerk besetzt, mit Weiden, Pappeln, Schlingpflanzen und hohem
Schilfrohr. In diesem Dickicht hausen Vögel, Hasen, wilde Schweine, Schakals,
Luchse, Leoparden, vormals auch wohl Löwen. An den Jordan heran tritt die
berühmte Ebene von Jertcho, einst geschmückt mit Palmenwäldern. Zucker-
rohr. Rosenhecken und Balsamgärten, heut dürr und öde. Daneben liegt die
Wüste von Jericho, ein rauhes Gewirr von Berg und Thal, öden Felsen-
klippen mit grauscuhaften Abgründen, Klüften und Höhlen; der Boden ist ver-
brannt und ausgedorrt, aschenfarbig und braun und völlig nackt. Hierher ver-
setzt uns das Gleichniß vom barmherzigen Samariter. Noch heute heißt hier
ein wildes, enges Thal das Mordthal. In der Wüste von Jericho hielt sich
der Herr auf, als er vom Teufel versucht ward. — Der Jordan ergießt sich
endlich in das todte Meer. Im alten Testamente wird es das Salzmeer
genannt. Das Waffer hat einen schönen, grünlichen Schein und ist ziemlich
klar, hat aber einen widerlichen, salzigen Geschmack. Es hat eine außerordent-
liche Tragkraft, so daß man sich, auch ohne schwim-men zu können, mit Leich-
Ng'eit aus der Oberfläche des Sees erhält. Die starke Verdunstung seines
Wassers macht, daß feine Salze, besonders in der Sommerzeit, an vcrschiedcuev