1909 -
Stuttgart
: Bonz
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
17. Grmidznge der wnrttemdergischen Uerfassung.
Die Württembergische Verfassung stammt aus dem Jahre 1819, wurde
jedoch 1906 in verschiedenen Punkten geändert. Sie bestimmt einerseits
die Rechte und Pflichten der Regierung und anderseits die Rechte und
Pflichten des Volkes und seiner Vertreter.
1. Der König. An der Spitze des Staates steht der König, der die
Staatsgewalt nach den Bestimmungen der Verfassung ausübt. Die Rechte
des Königs in Gesetzgebung und Verwaltung sind jedoch durch die Landstände
beschränkt. Die Person des Königs ist unverletzlich. Die Verantwortlichkeit
für die Regierungshandlnngen trägt das Ministerium. Der König, der sich
zu einer der christlichen Kirchen bekennen muß, ist mit dem 18. Jahre voll-
jährig. Der Huldigungseid wird dem Thronfolger erst dann abgelegt, wenn
er in einer Urkunde, welche er den Landständen ausstellt, die Einhaltung der
Verfassung zugesichert hat. Die vou den Landständen verabschiedeten Ge-
setze erlangen ihre Gültigkeit, wenn sie die Unterschrift des Königs tragen.
Der König beruft, eröffnet und entläßt die Ständeversammlung; auch
hat er das Recht, sie zu vertagen oder aufzulösen. Dem König steht das
Begnadigungsrecht zu. Er ernennt die Minister und die Mitglieder des
Geheimen Rates sowie die Staatsbeamten. Das Einkommen, das der
König vom Staate bezieht, heißt Zivilliste.
2. Die Landstände haben bei der Gesetzgebung mitzuwirken; ohne
ihre Zustimmung kann kein Gesetz gegeben, aufgehoben oder abgeändert
werden. Sie dürfen Mängel und Mißbräuche, die in der Staatsverwaltung
zu Tage treten, zur Sprache bringen und deren Abhilfe verlangen. Die
Landstünde haben den Voranschlag zum Staatshaushalt (Etat) zu beraten;
auch steht ihnen das Recht der Stenerbewilligung zu.
Die Stände teilen sich in zwei Kammern.
Die Erste Kammer besteht aus den volljährigen Prinzen des Königlichen
Hauses, den Häuptern der fürstlichen und gräflichen Familien, höchstens sechs von dem
König auf Lebenszeit ernannten Mitgliedern, acht Mitgliedern des ritterschaftlichen
Adels, vier Vertretern der evangelischen und zwei Vertretern der katholischen Kirche,
je einem Vertreter der Universität in Tübingen und der Technischen Hochschule in
Stuttgart, zwei Vertretern des Handels und der Industrie, zwei Vertretern der
Landwirtschaft und einem Vertreter des Handwerks.
Die Zweite Kammer (Kammer der Abgeordneten) besteht:
1. aus je einem Abgeordneten eines jeden Oberamtsbezirks;
2. aus sechs Abgeordneten der Stadt Stuttgart und je einem Abgeordneten
der Städte Tübingen, Ludwigsburg, Ellwangen, Ulm, Heilbronn und Reutlingen;
3. aus siebzehn Abgeordneten zweier Wahlkreise, vou denen der erste den
Neckar- und den Jagstkreis umfaßt und neun Abgeordnete wählt, der zweite aus
dem Schwarzwald- und dem Donaukreis besteht und acht Abgeordnete wählt.