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1. Deutsches Lesebuch für Mittel- und Oberklassen der Volksschulen - S. 185

1914 - Nürnberg : Korn
185 Bäumen lustwandelnd oder im Schatten lagernd, die Mittagszeit erwarteten und es dauerte nicht lange, als uns die Tischglocke des Kellners zur Mahlzeit rief. Die Tafel war in einem Zim- mer gedeckt, in welchem die lebensgroßen Bilder, von denen die Schiffer gesagt hatten, an den Wänden hingen. Diese Bilder führten natürlich wieder mancherlei Erzählungen herbei, in denen sich, wie es zu geschehen Pstegt, Wahrheit und Dichtung mischten, die aber insgesamt einen Anstrich von dem Charakter der groß- artigen und wunderbaren Natur dieser Gegend hatten. „Alles hier," sagte einer der Reisenden, ein Hanseate, „ist gewaltig, ungeheuer und kühn; nur der Mensch ist wie überall." „Mitnichten," entgegnete ein Schweizer; „auch die Men- schen in unseren Alpen sind wie die Natur. Zwar nicht eben größer an Wuchs, aber stärker, ausdauernder und vor allen Dingen herzhafter und kühner als anderswo. Der Hirt, der monatelang auf seiner einsamen Alm wohnt, kennt keine Furcht. Am Tage verfolgt er die dreisten, irrenden Ziegen über die schroffsten Felsen hin, wo ihn auf allen Seiten unermeßliche Abgründe zu verschlingen drohen, oder sammelt, über die Tiefe hängend, aus den Spalten der Felsenwände sein dürftiges Heu; bei Nacht aber, wenn er auf seinem Lager von dürrem Laube schläft, wecken ihn bald der Donner der Lawinen bald die Ge- witterschläge, die in diesen Gebirgen ganz anders rasen als auf eitern Heiden und Blachseldern. Und nun gar der Alpenjäger! Der kennt die Furcht kaum dem Namen nach; ja, er liebt die Gefahr und sucht sie begieriger auf als der Landbewohner den ausgesuchtesten Genuß bequemer Üppigkeit. Daß er der strengsten Kälte und jedem Ungestüm der Witterung trotzen, oft ganze Nächte unter freiem Himmel auf schroffen Klippen zubringen muß, will ich gar nicht in Anschlag bringen; wie oft aber muß er sich, um eine einzelne Gemse zum Schuß zu bekommen, aus den schmälsten Fußsteigen heranschleichen, wo auf der einen Seite der schroffe Fels wie eine Mauer aufsteigt, auf der anderen der Abgrund sich öffnet, und das vielleicht über frischen Schnee weg, der ihm unter den Füßen zerrinnt! Wie oft muß er auf solchen Wegen lange Strecken hin auf Händen und Füßen kriechen um endlich der gehofften Beute Herr zu werden! Und nun mit einer Last von oft sechzig bis neunzig Pfund auf dem Rücken muß er den schroffen, schlüpfrigen Pfad mit noch größerer Gefahr hinabsteigen, und wenn er sich und alles in Sicherheit gebracht hat, so sind wenige Mark der Preis seiner Anstrengungen,
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