1914 -
Nürnberg
: Korn
- Auflagennummer (WdK): 25
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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er vergeblich gejagt hatte, zog er wieder ab. Sobald er aus
dem Gesichtskreise verschwunden war, fielen die Enten wieder ein,
schwammen auseinander und suchten wieder nach ihrer Nahrung»
Bald darauf zeigte sich der geschickte und für die Enten sehr
gefährliche Wanderfalke, welcher sehr ungern auf einen sitzenden
Vogel stößt, einen fliegenden aber mit großer Leichtigkeit sängt.
Die Enten, ihn erblickend, flogen nicht auf, sondern tauchten
fortwährend um sich den Fängen des Räubers zu entziehen,
was ihnen auch vollständig gelang. Der Falke flog dicht über
ihnen weg ohne auf eine zu stoßen; denn er hatte offenbar die
Absicht sie zum Auffliegen zu bewegen. Nach langer Bemühung
gab auch er seine Jagd auf und flog davon. Noch an demselben
Tage erschien nun aber der Taubenhabicht, der furchtbarste Feind
dieser Vögel, da er die sitzenden ebenso geschickt zu fangen weiß
als die fliegenden. Der Beobachter sah mit großer Spannung
dem Ausgange entgegen; ihm schien eine der Enten ohne Gnade
verloren. Doch der Instinkt der Tiere half hier abermals aus
der Not. Sie zogen sich, sobald sie den Habicht erblickten, ganz
eng zusammen und warfen mit den Flügeln ohne Unterlaß
Wasser in die Höhe. Dieses zerteilte sich durch die Gewalt des
Flügelschlages in viele Tropfen und bildete einen dichten, un-
durchsichtigen Staubregen. Der Habicht ließ sich zwar dadurch
nicht abschrecken; er strich mitten hindurch und ganz niedrig über
dem Wasserspiegel sich haltend. Allein, da er keine Ente ins
Auge fassen konnte, so konnte er auch auf keine stoßen und
mußte gleichfalls mit leeren Klauen abziehen. Grub-.
290. Züge aus dem Leben der beiden Könige Ludwig I.
und Max Li.
1. Ein vornehmer Herr flüchtete sich vor dem heftigen
Regen in eine Hütte der Vorstadt Au. Schon in der Haus-
flur hörte er vom obern Stock her Töne des Jammers, lautes
Schluchzen. Er eilte hinauf und auf seine Frage schilderte ihm
eine arme Mutter ihre elende Lage mit ihren vielen Kindern
und das schreckliche Unglück, welches ihnen erst dadurch noch be-
vorstehe, daß in den nächsten Tagen ihre kleine Habe gepfändet
werden soll. Der Herr riet dieser unglücklichen Frau sich am
anderen Tage nach dem Wittelsbacher Palast zu begeben, und
versicherte, daß ihr König Ludwig aus der Not helfen werde.
„Ach," erwiderte die Frau, „dieser Rat kanu mir auch nichts
nützen; denn König Ludwig wird ohnedies von armen Leuten