1914 -
Nürnberg
: Korn
- Auflagennummer (WdK): 25
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Im Jahre 1521 wurde Luther vor den Reichstag zu Worms
gefordert. Dort sollte seine Sache untersucht werden. Obgleich
Friedrich der Weise ihm sicheres Geleit vom Kaiser erwirkte, so baten
ihn doch seine Freunde, nicht nach Worms zu gehen. Er aber
sagte: „Und wenn sie ein Feuer machten, das von Worms bis
Wittenberg reichte, so wollte ich dennoch mich nicht fürchten." Von
seinem geliebten Freunde Melanchthon nahm er mit den Worten
Abschied: „Komme ich nicht wieder, und morden sie mich, so
beschwöre ich dich, lieber Bruder, laß nicht ab zu lehren und bei
der Wahrheit des göttlichen Wortes zu beharren; du kannst es besser
als ich, und darum ist's auch nicht viel schade um mich." — Mit
Tränen sahen die Wittenberger ihn scheiden und sie sandten ihm
die heißesten Segenswünsche nach. — Neben ihm im Wagen saß
der kaiserliche Herold, welcher ihn sicher geleiten sollte. Wie nötig
das war, ersah man aus deu vielen Veröffentlichungen der päpstlichen
Bulle; sie war an allen Ecken in den Straßen der Städte ange-
schlagen. Es glich aber die Reise einem Triumphzuge. In Scharen
strömte ihm das Volk entgegen, um den kühnen und geliebten Mann
noch einmal zu sehen. „Lieber Bruder Martin," hieß es da oft,
„gehe nicht hin! Denke an Huß!" Als ihn noch kurz vor Worms
einer seiner Freunde zum Umkehren bewegen wollte, da sagte er:
„Und wenn so viele Teufel in Worms wären wie Ziegel auf den
Dächern, so wollte ich dennoch kommen." Am 16. April fuhr er
zur Stadt hinein nach dem deutschen Hose, wo der Kurfürst von Sachsen
wohnte. Von allen Seiten strömte das Volk herbei und kaum konnte der
Wagen sich langsam durch die Menge dahin bewegen. Gleich am
folgenden Morgen ward er vor die Versammlung geladen. Wegen
der außerordentlichen Volksmenge, die sogar die Dächer besetzt hatte,
um ihn zu sehen, führte man ihn durch Gärten und verborgene
Gänge nach dem Bischofshof, wo der Reichstag gehalten wurde.
Als Luther eben eintreten wollte, trat ein grauer Kriegsheld,
Georg von Frundsberg, an ihn heran, klopfte ihm auf die
Schulter und sagte: „Mönchlein, Mönchlein, du gehst jetzt einen
Gang, dergleichen ich und mancher Oberster auch in unserer ernstesten
Schlachtordnung nicht getan haben. Bist du auf rechter Meinung,
so sei getrost, Gott wird dich nicht verlassen!" — Jetzt öffneten
sich die Flügeltüren. Festen Schrittes trat Luther in den Saal und
stand den Machthabern des deutschen Reiches gegenüber. Da saß
der Kaiser Karl V. und sein Bruder, der Erzherzog Ferdinand; da
waren 6 Kurfürsten, 24 Herzöge, 8 Markgrafen, 30 Bischöfe und
Prälaten und viele andere. Aller Augen richteten sich auf den
kühnen Mann, als ihn nun der Kanzler Johann von Eck fragte,