1914 -
Nürnberg
: Korn
- Auflagennummer (WdK): 25
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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ob er jene Bücher, welche auf einer Bank lagen, für die seinigen
erkenne, und ob er sie widerrufen wolle. — Die erste Frage bejahte
er; für die zweite bat er sich Bedenkzeit aus. Und als man am
folgenden Tage eine kurze, entschiedene Erklärung verlangte, da
hob er mit fester Stimme an: „Weil denn Ew. Kaiserliche Majestät,
Kurfürstliche und Fürstliche Gnaden eine schlichte, einfache und
richtige Antwort begehren, so will ich eine geben, die weder Hörner
noch Zähne haben soll, nämlich also: Dem Papst und Konzilio
glaube ich nicht; widerrufen kann und mag ich nicht. Hier stehe
ich; ich kann nicht anders; Gott helfe mir! Amen." Diese
Worte brachten einen tiefen Eindruck auf die Versammlung hervor
und manches Herz ward für ihn gewonnen. Man führte ihn
hinaus. Vergeblich bemühten sich Kurfürst Joachim I. und Richard
von Trier, die Sache gütlich auszugleichen; Luther verharrte bei
seinem Entschlüsse. Die Anhänger des Papstes aber drangen in
den Kaiser, dem Beispiele Sigismunds zu folgen und dem Ketzer
sein Wort nicht zu halten, sondern ihn sogleich verbrennen zu lassen.
Voll edlen Unwillens entgegnete der jugendliche Kaiser: „Und wenn
nirgends in der Welt Treue zu finden wäre, so soll man sie bei
dem deutschen Kaiser finden." — Obwohl er nun gegen Luther die Acht
aussprach, so bewilligte er ihm doch freies Geleit auf 21 Tage.
Als Luther auf dem Heimwege in den Wäldern von Thüringen
dahinfuhr, siehe, da sprengten plötzlich fünf verkappte Ritter auf
ihn zu, zogen ihn aus dem Wagen und schleppten ihn mit sich in
das Gebüsch. Hier kleideten sie ihn wie einen Ritter, setzten ihn
auf ein Pferd und brachten ihn auf die nahe Wartburg. Es
war das Werk Friedrichs des Weisen, welcher den Geächteten den
Augen seiner Feinde zu entziehen suchte. Indes nun niemand
wußte, wo Luther geblieben war, faß er sicher und unangefochten
auf der Wartburg und arbeitete an dem nächst der Reformation
selbst größten und wichtigsten seiner Werke: er übersetzte die Bibel
in die deutsche Sprache und übergab damit dem Volke einen Schatz, der
allein hinreichend war, sein großes Unternehmen zu sichern. — Luther
starb in der Gewißheit, daß sein Werk zu glücklicher Vollendung ge-
langen werde, zu Eisleben, wo er geboren war, am 18. Februar 1546.
377. Ein Brief Dr. Luthers an seinen kleinen Sohn Hans.
Gnade und Friede in Christo, mein liebes Söhnchen! Ich
sehe gerne, daß du wohl lernest und fleißig betest. Tue also, mein
Söhnchen, und fahre fort. Wenn ich heimkomme, so will ich dir
einen schönen Jahrmarkt mitbringen. Ich weiß einen hübschen,
lustigen Garten, da gehen viele Kinder innen, haben güldene