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1. Drittes Schulbuch, Lehr- und Lesebuch für die Oberclassen der Volksschule - S. 329

1871 - Zwickau : Zückler
329 Segen sind Hafer, Lein u. Erdäpfel. Letztere, welche man in der Mitte des 18. Jahrh, statt Butter zum Brod aß, vertreten jetzt nicht selten dessen Stelle u. sind die wahre Brodfrucht des Erzgebirges, woran der Arme den größten Theil des Jahres hängt. Ohne Getreidezufuhr aus Böhmen u. den angrenzenden Ländern würde der arme Erzgebirger oft hungern müssen, obschon er mit unglaublicher Anstrengung, gleich dem Tiroler u. Schweizer, der Erde gleichsam abzuzwingen sucht, was sie ihm versagt. Bergabhänge bepflügt er, die der Niederländer kaum beklettern kann. Gras mäht er auf Höhen, wo ein Fehltritt ihn verunglücken läßt. Heu holt er in einigen Gegenden mitten im Sommer auf Schlitten, wo er mit dem Wagen nicht fortkommen kann. Mit Centnergeduld liest er Steine von den Feldern, u. doch wird ihn: meist nur eine dürftige Ernte zu Theil. Den Erzgebirger charakterisiren Zufriedenheit mit Wenigem, Treuherzigkeit mit Geradheit im Umgänge, etwas Singendes beim Sprechen, ein häufiges Verdrehen üblicher, auch Einmischen fremder oder selbstge- schmiedeter Wörter u. noch so manche andere Eigenheiten. Ganz besonders eigen sind ihm Fleiß u. Sinnen auf Erwerb, wozu ihn die Natur gleich- sam spornt. Sogar das Gehen erschwert sie ihm. Kaum viertelstündig sind im Erzgebirge die Ebenen. Frühzeitiger wird wohl nirgends die Jugend zur Arbeit angehalten. Mit dem 7. bis 8. Jahre schon hilft das Kind verdienen in der Klöppelstube, wie beim Handschuh- u. Gorlnähen, am Nährahmen, Spinnrocken u. in der Hütte. Eigen ist ferner dem Erz- gebirger, gleich dem Tiroler u. Savoyarden, das gewerbfleißige Wandern in ferne Gegenden u. die doch ewig lebendige Sehnsucht nach den Ber gen u. Thälern der Heimath. Den Strichvögeln gleich, ziehen aus manchen Gegenden, besonders des Obergebirges, im Frühjahre Hunderte mit Bän- dern, Spitzen, Blechwaaren, Körben, blauer Farbe u. s. w. in verschiedene Länder deutscher Zunge, von der Schweiz bis Rußland, ja oft nur mit Axt u. Kelle, anderwärts zu zimmern oder zu mauern. Zuin Winter aber kehrt fast Alles heim, um nicht selten in verschneiter, ärmlicher Woh- nung den sauer errungenen Verdienst mit Weib u. Kind zu verzehren.' Knaben von 14 bis 15 Jahren fahren entweder auf eigene Faust oder als Gehilfen ihrer Väter mit Karren voll kleiner Handelsartikel in andere Länder. Manche Familie hat auf diese Art wohl 2 bis 4 Söhne in der Fremde, während die Töchter daheim klöppeln, nähen, spinnen u. s. w. — Nebel, welche die nächsten Häuser kaum erkennen lassen, u. die höchstens in der Mittagsstunde weichen, kündigen dem Erzgebirger den Winter an, der gewöhnlich in der fürchterlichsten Gestalt erscheint. Es schneit oft mehre Tage in einem fort. ja wohl in einer Nacht so, daß man sich in Dörfern aus manchen Häusern schaufeln muß, um einen Gang zur Haus- thüre oder Gucklöcher für die Fenster der Unterstuben zu schaffen. Ein 2 bis 4 Ellen hoher Schnee ist in strengern Wintern nicht selten, u. Stürme, die nirgends fürchterlicher heulen, bilden oft 10 bis 15 Fuß tiefe Windwehen. Unglück zu verhüten, werden zwar Signalstangen gesetzt,
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