1871 -
Zwickau
: Zückler
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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auch bei starkem Schneewetter dem Wanderer, besonders Abends, durch
Glockengeläute oder Trompeten Zeichen gegeben, in welcher Richtung er
zu waten habe. Doch vergeht selten ein Winter, in welchem nicht Menschen
im Schnee umkommen. Dessen ungeachtet heißt der Erzgebirger den Winter
allemal freundlich willkommen, denn er bringt ihm eine seiner liebsten
Erscheinungen — Schlittenbahn, welche die Wege ebnet, Verkehr u. Ge-
selligkeit befördert u. gewöhnlich länger dauert, auch weit schöner ist, als
im Niederlande. Man fährt schnell, der Gefahr trotzend, über Berg u.
Thal, u. selbst Kinder gleiten in Ruschelschlitten, meist zwei u. zwei, die
steilsten Höhen hinab. Überhaupt ist die Jugend dort weit abgehärteter,
als im Niederlande, u. oft, wenn man hier schon nach Pelz u. Mantel
greift, springen dort die Kinder unter freiem Himmel barfuß in blosen
Hemden herum. So spielen sie auch vor den Thüren, so begleiten sie,
um eine Gabe bittend, den Wagen des Reisenden.
Nach K. Agst. Engelhardt.
10. Der Bergbau.
Die Natur hat das Gewinnen ihrer unterirdischen Schütze sehr er-
schwert. Durch Erde u. Gestein lnxtfj der Bergmann oft mehre hundert
Meter tief darnach graben, u. je tiefer er geht, mit desto mehr Gefahren hat
er zu kämpfen. Die Metalle sind selten rein u. gediegen, sondern meist
mit anderen Stoffen vermischt u. sowohl in jenem, als in diesem Zustande
heißen sie Erze, welche mannigfache Gestalten annehmen. Gewöhnlich
erscheinen sie nur eingesprengt, d. h. in eingewachsenen Körnern, Blättchen,
Fäden, Geschieben rc. Unter Flözen versteht man ganze Lager oder
Schichten, wie z. B. bei Zinn u. Steinkohlen. Die Erze werden bei Frei-
berg, Altenberg, Marienberg, Annaberg, Schneeberg u. Johanngeorgen-
stadt gefunden. Alan gewinnt sie entweder durch Schächte, oder durch
Stollen. Die ersteren sind enge, brunnenartige, meist senkrechte, oder
nur wenig schräg gehende Öffnungen, durch welche der Bergmann mittelst
des Kunstgezeuges oder auf festgemachten Leitern, Fahrten genannt, in
das Innere der Erde steigt. Das Ein- u. Aussteigen nennt er An-
u. Ausfahren; das Geheul in den Gängen Fahren. — Stollen sind am
Fuße der Gebirge in fast wagerechter Richtung eingearbeitete, unterirdische
Gänge, durch welche man theils die Erze auf Karren herausschafft, theils
Wasser abführt, theils den Schächten frische Luft zuleitet. Die Stollen
laufen in vielfachen Windungen u. mit geringem Ansteigen labyrinthisch
oft mehre hundert Dieter in der Erde fort.
Wenn der Bergmann mit gewöhnlichem Werkzeuge, wie Fäustel,
Schlägel, Bohrer rc. das Gestein nicht zu bewältigen vermag, sprengt er es
mit Pulver oder lockert es wenigstens auf. Gesteine u. Erze, welche man
nicht in Karren durch Stollen herausfahren kann, werden in Kübeln aus
den Schächten gewunden. Letzteres geschieht durch den von einigen Män-
nern in Bewegung gesetzten Haspel, der immer einen leeren Kübel hinab-