1871 -
Zwickau
: Zückler
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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hatte Melanchthon thätigen Antheil. Nicht weniger segensreich wirkten die
Visitationsartikel, welche er auf Befehl des Kurfürsten Johann
des Beständigen 1528 ah fasste. Sie enthielten in 18 Kapiteln die
Hauptstücke des christlichen Glaubens, welche dem gemeinen Volke vor-
getragen werden sollten. Besonders entschieden u. kräftig trat Melanch-
thon 1529 auf dem Reichstage zu S p e i e r u. in dem Religionsgespräche
zu Marburg auf. Unter diesen Spaltungen hatte der Kaiser einen Reichs-
tag zu Augsburg auf das J. 1530 ausgeschrieben. Nun trug der Kur-
fürst Ruthen, u. Melanchthon auf, „die Artikel der Rehre festzusetzen, von
denen man nicht weichen könne.“ Dies geschah zu Torgau, u. Melanch-
thon hatte die Glaubensartikel in die rechte Form zu bringen. Diese
Schrift, die am 25. Juni 1530 auf dem Reichstage zu Augsburg übergeben
wurde, u. die Vertheidigung derselben (Apologie) trugen den Ruhm Melaneh-
thon’s durch alle Ränder Europa’s. König Franz I. v. Frankreich u. Heinrichviii.
von England hatten ihn in ihre Ränder eingeladen; aber beides schlug er aus
Riebe zu seinem Wittenberg ab. Um die Rutheraner u. Reformirten zu
vereinigen, begannen 1534 die Verhandlungen zu Kassel, wurden in Eise-
nach fortgesetzt u. 1536 in Wittenberg beschlossen. Beide Theile freuten
sich herzlich, als dem friedliebenden Melanchthon das Vereinigungswerk
endlich gelungen war. Auf dem Convent (der Versammlung) zu Schmal-
kalden 1537 setzte man abermals das evangelische Bekenntnis? fest u. lehnte
die Einladung des Papstes zum allgemeinen Concil nach Mantua in Ober-
italien ab. Auf einer Reife nach Hagenau im Eliäfs ward Melanchthon
tödtlich krank, u. nur Rüthers Zuspruch u. kräftiges Gebet, das Gott er-
hörte, erhielten ihn am Reben. Er sagte selbst: „Wäre Rüther nicht ge-
kommen, so wäre ich gestorben.“ 1541 reiste Melanchthon abermals zu
einem Religionsgespräch nach Worms u. später nach Regensburg, wo Ver-
handlungen über die Vereinigung der Protestanten u. Katholiken gepflogen
werden sollten. Doch kam keine Einigung zu Stande, u. Melanchthon
musste sogar von den Seinigen bittere Vorwürfe anhören, weil er zu grosse
Milde u. Nachgibigkeit gezeigt habe. Unter seiner Mitwirkung führte der
greife Erzbischof Hermann zu Cöln die Reformation ein; derselbe wurde
jedoch deswegen 1546 feines Amtes entsetzt. Neben diesen anstrengenden
Arbeiten für Kirche u. Schule brachen auch in feiner Familie grosse Sorgen
u. Bekümmernisse herein. Sein Schwiegersohn Sabinus, Professor in Königs-
berg, behandelte feine geliebte Tochter Anna gar übel, bis diese 1547 starb.
— Ebenso machte ihm sein geistig wenig begabter Sohn Philipp grossen
Kummer. Selbst sein Verhältnis» zu Rüther wurde ziemlich locker, da ihm
dieser nicht verzeihen konnte, dass er die von den Evangelischen urkundlich
anerkannte augsburgifche Confesfion bei jeder neuen Ausgabe ver-
bessere, verändere u. mildere. Durch des Kurfürsten Vermittelung stellte
sich jedoch das alte freundliche u. freundschaftliche Verhältnise wieder her.
Den grössten Schmerz bereitete ihm die Nachricht von Ruth er’s Tode;
er vermochte nicht, feine Vorlesung zu halten. Bei dem feierlichen Begräb-
nisse Rüther's rühmte er in einer lateinischen Rede tiefgerührt die grossen
Verdienste des verblichenen Freundes u. Glaubenshelden. Alle Briefe, welche
er um jene Zeit schrieb, waren von Thränen benetzt. Auch andere seiner
Freunde schieden aus dem Reben, u. dies vergrößerte den Schmerz. Die
bangen Sorgen um die Zukunft der Kirche u. die finstern Ahnungen sollten
bald erfüllt werden. Im J. 1547 brach der schmalkaldische Krieg
aus, der erst mit dem Religionsfrieden zu Augsburg 1555 endete. Melanch-
thon war gezwungen, mit den Seinigen Wittenberg zu verlassen, — diese
Stadt, die er liebte, wie seine Vaterstadt, u. sein Nestlein an der Elbe nannte.
Er musste bald hierhin, bald dorthin fliehen. Die Universität löste sich
einstweilen auf, u. Johann Friedrich der Großmüthige gerieth in Gefangen-