1872 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig, Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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forten lassen beim Dreschen sogleich den reinen Kern gehen, andere
behalten noch eine Umhüllung (Spelz), welche auf besonderen Mühlen
abgeschält werden muß. Die letzteren heißen rauhe Früchte.
Überhaupt herrscht eine große Mannigfaltigkeit unter dem Getreide.
Sorten, welche in der einen Gegend vortrefflichen Ertrag liefern, miß-
rathen in der andern. Man muß also die Erfahrung um Rath fragen,
nicht steif bei dem Alten beharren, aber auch nicht durch unnöthige
Neuerungen Zeit und Geld einbüßen.
Der Roggen heißt, weil er in Deutschland die vorherrschende
Brodfrucht ist, auch Korn. Es giebt Sommer- und Winter-
roggen. Der Sommerroggen entgeht zwar der Gefahr, im Winter
durch Kälte, Nässe, Schnecken oder Mäuse zu leiden, liefert aber bei
weitem nicht so gutes Mehl, als der Winterroggen. Überhaupt ist
der Unterschied unter den Körnern je nach dem Boden und der Ge-
gend bedeutend verschieden. Das von den Küsten der Ostsee und
aus Polen kommende Korn hat bei weitem nicht die Güte des im
Innern von Deutschland erzeugten.
Eine wärmere Gegend und einen bessern Boden erfordert der Wei-
zen, die schönste aller Getreidearten. Sein glattes, Helles Korn mit
blendend weißem Mehle hat ihm den Namen weiße Frucht, und seinen
Ähren die Ehrenbenennung goldene Ähre verschafft. In der That
sieht ein blühendes oder reifendes, vom Winde bewegtes Weizenfeld
herrlich aus und verkündigt gewissermaßen schon die Fruchtbarkeit einer
Gegend. Das Weizenbrod ist indessen weniger kräftig, als das
Roggenlrod und wird auch leichter trocken. Im Ganzen gilt der
Weizen als die edelste und zu den verschiedensten Zwecken nutzbarste
Gattung des Getreides.
Der Spelz oder Dinkel kommt ihm bei weitem nicht gleich, wenn
auch sein Mehl weißer aussieht. Denn das Mehl trocknet schnell, so^'
daß das daraus Gebackene nur frisch einen angenehmen Geschmack besitzt.
Die Körner sind aber auch mit rauher Schale (Spelz) umgeben, so
daß sie weder ein schönes Aussehen haben, noch auch unmittelbar zum
Mahlen dienlich sind. In Norddeutschland ist diese Getreideart fast
ganz unbekannt, und in Süddeutschland zieht man ihr doch auch in den
fruchtbarsten Gegenden den einträglicheren Weizen vor.
Die Gerste wird meistentheils als Sommerfrucht gezogen und hat
unter allen Getreidearten die längsten und stechendsten Grannen. Doch
giebt es auch bartlose Gerste. Das Gerstenbrod schmeckt süßlich, wird
aber bald trocken und rissig, weshalb man lieber Gerste und Korn
mengt. Fast noch bedeutender ist ihr Verbrauch als Malz zu Bier
und Essig und als Futter für Mast- und Federvieh. Auch wird sie
geschält, um als Zuthat in Suppen zu dienen.
Weit weniger mehlreich ist der Hafer, der in Rispen (oder Fah-
nen) an dem Halme hängt, und selbst in den rauhesten Gegenden fort-
kommt. Als Futter für die Pferde dient er allenthalben, aber als
Brodfrucht nur in den ärmsten Bezirken unseres Vaterlandes. Geschält
Haesters Lesebuch für Obrrkl. foan-jet. 'Iktfs'i. Iq