1872 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig, Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Geschlecht hat ebenfalls einen schlanken Wuchs, und eine sehr weiße
Hautfarbe zeichnet die Mädchen in Norddeutschland und die Groß-
städterinnen aus.
^ Die gewöhnlichsten Nahrungsmittel in Deutschland sind Roggen-
(Schwarz-) Brod, in Westphalen Pumpernickel genannt, und Weizen-
(Weiß-)Brod — Kartoffeln, besonders in den Gebirgsgegenden,wo
man sie täglich genießt und sie auf die mannigfaltigste Weise wohlschmeckend
zu bereiten weiß — Fleisch und Fische mehr in Norddeutschland als
in Süddeutschland — Mehlspeisen und Gemüse mehr in Schwaben,
Bayernund Österreich als im Norden — Kaffee, seit 100 Jahren all-
gemein verbreitet und Lei den niedern Ständen oft die Stelle der
Mahlzeit vertretend — Bier, am meisten in Norddeutschland, in Sachsen
und Bayern— Wein mehr irrt Süden als im Norden, Obstwein in
den Maingegenden am stärksten verbreitet, Branntwein mehr im
nördlichen Deutschland — Milch vorzugsweise in den Alpenländern
— Thee an den Küsten der Nordsee. Sehr verbreitet ist auch das
Rauchen und Schnupfen des Tabaks; allein das Kauen des-
selben gilt für gemein und findet sich nur Lei der geringsten Volksklaffe
Eine allgemeine Nationaltracht haben die Deutschen nicht. Die
ewig wechselnde, oft lächerliche Mode regiert besonders in den größern
Städten und verbreitet sich von hier aus auch über die Dorf- und
Landbewohner.
Man findet bei den Deutschen alle Arten von menschlichen Woh-
nungen^ von den elendesten Hütten bis zu den prächtigsten Palästen.
Die Dörfer in Süddeutschland, besonders in den Rheingegenden, zeigen
viele im städtischen Geschmacke erbaute Häuser, gepflasterte Straßen, und
übertreffen oft an Bauart und Einwohnerzahl die Landstädte Nord-
deutschlands. Die Ackersleute wohnen aber gewöhnlich auf einzeln
liegenden Höfen, deren mehrere zusammen einen Weiler ausmachen.
Ganze Striche solcher Weiler, mit ihren Gärten, Äckern, Wiesen —
mit ihren die einzelnen Höfe umgebenden Eschen, Linden, Ulmen —
mit ihren Obstbäumen, welche oft kleine Wäldchen bilden und dem
ermüdeten Landmann Schatten, so wie seinem Hause Schutz gegen die
Stürme gewähren — haben oft das Ansehen eines Parkes, aus dem
hier und da die Spitze eines Kirchthurmes freundlich hervorsteht. Die
armseligsten Wohnungen der Landleute trifft man aber im Osnabrück scheu
und in einem Theil von Ostfriesland, die oft nur aus Rasen oder
Torf ausgeführt und mit ein paar Sparren und Stroh bedeckt sind,
so daß der Reisende oft im Zweifel ist, ob er eine menschliche Wohnung
oder einen Viehstall erblickt.
Was endlich das Volk der Deutschen in Hinsicht seiner Geistes-
bildung anbelangt, so können wir kühn behaupten, daß kein Volk die
Deutschen an geistiger Bildung übertrifft; denn nirgends ist mehr für
Volksunterricht und Volksbildung geschehen, als in Deutschland.
Von Charakter gilt der Deutsche für ehrlich, Lieder, fleißig,
ausdauernd und besonnen. Von deutscher Treue und Tapfer-