1872 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig, Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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22. Otto der Große von Wittelsbach*) in bet
Berner Klause.
Im Jahre 1155 mußte Kaiser Friedrich I. mit seinem Heere
auf dem Rückwege aus Italien durch die engen Pässe an der Etsch,
die sogenannte Berner Klause, ziehen. Auf der einen Seite
hatte er den Fluß, auf der anderen Seite das ansteigende Gebirge
vor sich. Alberich, ein Edelmann aus Verona, hatte die unzu-
gänglichen Höhen des Gebirges mit 500 Mann besetzt, ließ große
Felsenstücke bereithalten, welche dem deutschen Heere den Untergang
drohten, und verlangte, daß jeder Deutsche, welcher unbeschädigt
durchziehen wollte, den freien Durchgang entweder mit Geld, oder
mit seinem Pferde, oder im Nothfalle auch mit seinem Panzer erkaufen
sollte. Entrüstet über solche übermüthige Forderung des Italieners,
warf der Kaiser einen Blick auf die Helden, welche um ihn her stan-
den, und betrachtete sie der Reihe nach. Sodann sprach er: „Otto
von Wittelsbach, es würde einem Manne, wie ihr seid, wohl an-
stehen, diesen Schimpf zu rächen!" — Der tapfere Pfalzgraf von
Bayern ließ sich nicht zwei Mal mahnen; er kletterte mit 200 Kriegern,
welche er ausgewählt hatte, auf einem Umwege über die schauerlichen
Felsen, bis er die Italiener tief unter sich hatte. Während der Kaiser
sich stellte, als ob er von unten herauf die unzugänglichen Felsen er-
stürmen wollte, worüber die Italiener lachten, kam der Pfalzgraf von
oben herab. Das Hohngelächter verwandelte sich in Schrecken, und
die Feinde wurden theils mit den Schwertern getödtet, theils von den
Felsen herabgestürzt. Von fünfhundert waren am Ende nur noch^
zwölf am Leben. Unter diesen befand sich auch ein Franzose, welcher
demüthig um sein Leben bat, indem er sagte, man habe ihn mit Ge-
walt gezwungen, diese furchtbaren Höhen zu besteigen. Das Leben
wurde ihm geschenkt unter der Bedingung, daß er die andern elf auf-
hängen müsse. — Otto's Ruhm erscholl durch ganz Deutschland.
Er war fortan 30 Jahre lang als treuester Freund des Kaisers in
dessen nächster Umgebung und leistete ihm als Rathgeber, als Feld-
hauptmann und als Gesandter die wichtigsten Dienste. Zum Lohne
verlieh ihm daher der dankbare Kaiser, als Heinrich der Lörve,
Herzog von Sachsen und Bayern, wegen Verweigerung der Heeres-
folge seiner Herzogthümer entsetzt wurde, das Herzogthum Bayern
(1180). Dadurch wurde Otto von Wittelsbach der Stammvater
des noch jetzt regierenden bayerischen Königshauses. — Sein
Sohn Ludwig wurde vom Kaiser Friedrich Ii. auch mit der Rhein-
pfalz belehnt, doch gelangte erst dessen Sohn Otto (der Erlauchte)
durch seine Vermählung mit Agnes, der Tochter des Pfalzgrafen
i=„r,.Apitotp“n tt*0* ein Nachkomme des bayerischen Herzogs Arnulf, dessen
Otto dengroßen zum Pfalzgrafen in Bayern ernannt worden
i,Pkr bayerischen Pfalzgrafen waren die Burg L ch ey e rn bei Pfaffenhofen
und das Schloß W Ittels bach bei Aichach in Oberbayern. (S. bayer. Fürstenbilder Nr. 9 !)
Haesters' Lesebuch für Protest. Oberkl. Bayerns. 14