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1. Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde - S. 312

1872 - Essen : Bädeker
312 ihre Tüchtigkeit, Kühnheit, Zweckmäßigkeit, Nettigkeit, Klarheit in allem: der steht füll und wundert sich. Alles dies, dieses reiche Land, diese prächtigen Städte, diese städtegleichen Dörfer hat der denkende Mensch aus dem Schlamme herausgehoben und zum Theil den Wogen des Meeres abgewonnen. Aber wie soll man diese Menschen beschreiben? Wenn man in die holländischen Städte und Dörfer tritt und die Leute dort so still und langsam, so nett und reinlich dabei, als hätten sie mit Arbeit nicht sonderlich sich zu befaffen, einhergehen sieht; wenn der Bauer steif und bedächtig in seinen hohen Holzschuhen einherschreitet, und mit behaglicher Miene und langsamer breiter Rede dem Fremden begegnet: so könnte einem einfallen, ein so stilles, bequemes Volk könne dies Land dem Meere nicht abgezwungen, diese Mauern, Thürme, Wälle und Derche nicht aufgethürmt haben; und doch ist es nicht anders! Der Holländer steht eben deswegen so behaglich da, weil er der Schöpfer und Herr dieses Landes ist, wo nur Frösche, Mo ven und Rohrdommeln ihre heisere Stimme tönen lassen würden, wenn der Mensch nicht hinzugetreten und mit Spaten, Schaufel und Ruder sich gerührt hätte. Freilich die netten Kleider, die der Holländer trägt, sein stets blankes Schuhwerk, sein mit Blumen und Kräutern, mit Schnörkeln und Bildern geschmücktes Vorhaus, seine zierlichen, mit bunten Muscheln und Steinen ausgelegten Gärten, seine nett gefegten Dreschtennen, seine höchst reinlichen Stallungen möchten auf die Ver- muthung bringen, der Holländer sei nur für die häuslichen Ge- schäfte brauchbar, habe nur für Lebensgenuß Sinn und huldige bloß der Bequemlichkeit und Weichlichkeit; aber man sehe nur den Holländer am Ruder seiner Schiffe, auf den Mastspitzen — man sehe ihn nur auf dem Wasser schalten und walten: da ist er nicht der bequeme und ruhige Mensch, da bewegt er sich, wenn auch stets besonnen, rasch und kräftig, da zeigt er eine eiserne Ausdauer und den festesten Willen, und eine große Aufopferungsfähigkeit. Diese trefflichen Eigenschaften haben auch dessen Vorfahren, namentlich im Kampfe für evangelische Glaubensfreiheit bewiesen. Schmuck des Lebens, Reinlichkeit und Sauberkeit fast bis zur Übertreibung, Blumenliebe und Blumenpflege, Farbenfreude und daher hoher Sinn für Malerei kennzeichnen den Holländer. Man möchte dies, wenn es nicht geborene Anlage wäre, fast für ein Werk des über- legenden Verstandes ansehen. Hier in dieser den Geist niederdrückenden Einförmigkeit, in diesem Lande der Sümpfe, Marschen und Hei- den, wo nur um die Dörfer und Kanäle einzelne Baumreihen sich erheben, und der Mensch hinter seinen Deichen und Wällen den Pflug und die Sense führt — hier, wo die Nähe des Meeres und die Mäffer der Seen, Teiche und Gräben eine feuchte, matte Luft und einen oft umnebelten Himmel zeigen — hier, wo Torf- und Marschland, fette Erde, Torf- und Steinkohlenstaub Alles in Schmutz verkommen lasten würden, wenn der Mensch sich nicht dagegen wehrte — hier möchte man sagen, hat er sich in der Freude an dem Netten, Heiteren
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