1872 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig, Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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ihre Tüchtigkeit, Kühnheit, Zweckmäßigkeit, Nettigkeit, Klarheit in allem:
der steht füll und wundert sich. Alles dies, dieses reiche Land, diese
prächtigen Städte, diese städtegleichen Dörfer hat der denkende Mensch
aus dem Schlamme herausgehoben und zum Theil den Wogen des
Meeres abgewonnen. Aber wie soll man diese Menschen beschreiben?
Wenn man in die holländischen Städte und Dörfer tritt und die Leute
dort so still und langsam, so nett und reinlich dabei, als hätten sie
mit Arbeit nicht sonderlich sich zu befaffen, einhergehen sieht; wenn der
Bauer steif und bedächtig in seinen hohen Holzschuhen einherschreitet,
und mit behaglicher Miene und langsamer breiter Rede dem Fremden
begegnet: so könnte einem einfallen, ein so stilles, bequemes Volk
könne dies Land dem Meere nicht abgezwungen, diese Mauern, Thürme,
Wälle und Derche nicht aufgethürmt haben; und doch ist es nicht
anders! Der Holländer steht eben deswegen so behaglich da, weil er
der Schöpfer und Herr dieses Landes ist, wo nur Frösche, Mo ven
und Rohrdommeln ihre heisere Stimme tönen lassen würden, wenn
der Mensch nicht hinzugetreten und mit Spaten, Schaufel und Ruder
sich gerührt hätte. Freilich die netten Kleider, die der Holländer trägt,
sein stets blankes Schuhwerk, sein mit Blumen und Kräutern, mit
Schnörkeln und Bildern geschmücktes Vorhaus, seine zierlichen, mit
bunten Muscheln und Steinen ausgelegten Gärten, seine nett gefegten
Dreschtennen, seine höchst reinlichen Stallungen möchten auf die Ver-
muthung bringen, der Holländer sei nur für die häuslichen Ge-
schäfte brauchbar, habe nur für Lebensgenuß Sinn und huldige
bloß der Bequemlichkeit und Weichlichkeit; aber man sehe nur den
Holländer am Ruder seiner Schiffe, auf den Mastspitzen — man sehe
ihn nur auf dem Wasser schalten und walten: da ist er nicht der bequeme
und ruhige Mensch, da bewegt er sich, wenn auch stets besonnen,
rasch und kräftig, da zeigt er eine eiserne Ausdauer und den
festesten Willen, und eine große Aufopferungsfähigkeit. Diese trefflichen
Eigenschaften haben auch dessen Vorfahren, namentlich im Kampfe für
evangelische Glaubensfreiheit bewiesen.
Schmuck des Lebens, Reinlichkeit und Sauberkeit fast bis zur
Übertreibung, Blumenliebe und Blumenpflege, Farbenfreude und daher
hoher Sinn für Malerei kennzeichnen den Holländer. Man möchte
dies, wenn es nicht geborene Anlage wäre, fast für ein Werk des über-
legenden Verstandes ansehen. Hier in dieser den Geist niederdrückenden
Einförmigkeit, in diesem Lande der Sümpfe, Marschen und Hei-
den, wo nur um die Dörfer und Kanäle einzelne Baumreihen sich
erheben, und der Mensch hinter seinen Deichen und Wällen den Pflug
und die Sense führt — hier, wo die Nähe des Meeres und die
Mäffer der Seen, Teiche und Gräben eine feuchte, matte Luft und
einen oft umnebelten Himmel zeigen — hier, wo Torf- und Marschland,
fette Erde, Torf- und Steinkohlenstaub Alles in Schmutz verkommen
lasten würden, wenn der Mensch sich nicht dagegen wehrte — hier
möchte man sagen, hat er sich in der Freude an dem Netten, Heiteren