1872 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig, Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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kreiset ein Strom. Mit herkulischer Gewalt durchbrach der Ocean
einst den Gebirgsrücken, der Lei den Säulen des Herkules (Gibral-
tar) Afrika mit Europa verband, stürzte dann in das tiefer gele-
gene Becken hinter dem Gebirgswall und bildete den westlichen Theil
des mittelländischen Meeres, während der östliche durch den Durchbruch
des schwarzen Meeres entstand, das ehedem keinen Ausweg hatte
und bei Konstantinopel die Verbindung Asiens mit Europa schwach
genug fand, um diese Erdtheile hier zu trennen. Wie heftig dieser
Durchbruch gewesen sein muß, zeigen die vielen und verschieden
geformten Eilande des Jnselmeeres. Noch jetzt schickt das schwarze
Meer seine Gewässer fortwährend durch die Straße von Konstanti-
nopel in den Archipel, von wo aus sich der Strom an der Küste
von Kleinasien herunterschlägt, dann in westlicher Richtung an der
Nordküsie Afrika's entlang nach Gibraltar geht. In entgegen-
gesetzter Richtung bewegt sich noch immer ein Strom aus dem
atlantischen Ocean über den Hügelrücken hinweg, der quer durch die
Straße von Gibraltar wie eine Binde von Afrika nach Europa hin-
zieht, und läuft an der Südküste von Europa entlang, weshalb alle
Schiffe, wollen sie auf dem mittelländischen Meere nach dem Morgen-
lande fahren, stets an der europäischen Küste entlang segeln, kehren
sie zurück, an der afrikanischen. So kreiset das Meer auf der östlichen
wie auf der westlichen Erdhälfte ohne Unterbrechung, und die Erdtheilc
tragen deutlich genug die Spuren davon. Alle sind an ihrer Ostküste
zerrissen und zersplittert, mit Trümmern von Inseln besäet und mit
Halbinseln versehen. Außer diesen Strömungen macht der Ocean noch
innerhalb eines Tages, gleich einem gewaltigen Pendel, regelmäßig
vier Schwingungen, bekannt unter den Namen Ebbe und Fluth. —
Ohne dieses Pulsiren des Meeres würde weder der Wind noch der
Salzgehalt dasselbe vor Fäulniß und alle Wesen vor dem Tode be-
wahren; denn nur diese Pulsschläge find es, welche vermögen, das
Meer bis auf seinen tiefsten Grund zu erschüttern und dadurch die
Fäulniß zu verhüten. So arbeitet das Meer seit Anbeginn in rast-
loser Thätigkeit, als ob es athmete und lebte. Das nimmer ruhende
Wasser zirkulirt durch alle seine Theile hindurch, wie das Blut sich
bewegt vom Herzen zu den Gliedern und von den Gliedern wieder
zum Herzen.
6. Bildung der Erdoberfläche.
Wenn man mit einem Male das Meer ablassen könnte, würde es
auf seinem Grunde nicht viel anders aussehen, als auf vielen Stellen
unserer Erdoberfläche. Wir würden da große, lange Sandflächen und
Berge von Kalk und Gips sehen, die sich aus dem Meerwasser gebil-
det haben, alle untermischt mit häufigen Muscheln und anderen See-
thierüberresten. Unseren meisten Bergen merkt man gar leicht an, daß
üe in einem großen Meere und unter einem großen Meere gebildet sind.
Denn viele von ihnen sind ganz erfüllt von Muschel- und See-