1883 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Sach, August, Keck, Heinrich, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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207. Dev Sauptmann von Wismar.
Da begab es sich, dass plötzlich ein so starker Frost eintrat,
dass die Schiffe in der See einfroren und konnten nirgend hinkommen.
Als nun der Hauptmann von Wismar sah, dass der Frost so heftig
überhand nahm, da sprach er zu den Schiffern und anderen Kriegs-
leuten also: ,,Liebe Gesellen, ihr sehet, dass wir hier eingefroren
liegen, und dürfen uns nicht vermuten, dass so bald ein anderes Wetter
eintreten wird, und ihr wisst, dass der Dänen Schiffe auch in See sind.
Darum weiss ich gewiss, wenn dieser Frost bleibt, so werden sie uns
anfallen, und sie haben den grossen Vorteil, dass sie aus ihrem Lande
sich verstärken können, soviel sie wollen: deshalb ist es besser, wir
sehen vor ihrer Ankunft zu. Wollt ihr nun meinen Rat hören, so wollen
wir unsere Schiffe so verwahren, dass wir sie vor den Dänen wohl
behalten, wiewohl es Arbeit kosten wird; dennoch, weil es so kalt
ist, ist es besser, dass wir etwas zu thun haben, als dass wir zu Tode
frieren. Sehet da", sprach er, „an der dänischen Küste steht viel
Holz, da wollen wir Leute hinsenden, die sollen lange und grosse
Bäume hauen und auf dem Eise mit geringer Arbeit an die Schiffe
schaffen; die wollen wir auf beiden Seiten der Schiffe hinlegen und
mit Wasser begiessen, welches bald zufrieren wird, und unseren Schiffen
einen Wall und ein Bollwerk geben. Lasst dann die Dänen kommen,
so wollen wir sie erwarten."
Dieser Rat gefiel allen wohl. Sie holten die Bäume und zogen
sie zu den Schiffen und begossen sie mit Wasser, und es ward so ein
gläserner Wall. Diese Arbeit war kaum vollbracht, so kamen die
Dänen in Haufen übers Eis und vermeinten, die Schiffe zu erobern; aber
wiewohl der Dänen wohl vier waren auf einen Wismarschen, so mussten
sie doch mit grossem Schaden davon ziehen und die Schiffe bleiben
lassen. Das verdross die Dänen über die Massen, und weil sie gesehen
hatten, dass sie vor dem Bollwerk nicht an die Schiffe heran kommen
könnten, wollten sie eine Kriegsmaschine zurichten, die man eine Katze
nennt, und liefen in das Holz, wo die Wismarschen die Bäume gehauen
hatten. Der Hauptmann von Wismar, Meister Hugo, erkannte bald
ihre Anschläge und liess in der Nacht um die Schiffe einen breiten
Streif auseisen und die Eisschollen liess er niederdrücken. Nicht lange
darauf kamen die Dänen mit ihrem Volke und bedachten nicht, dass
die Wismarschen geeist hätten, denn es war oben wieder zugefroren,
und kamen mit grossem Ungestüm und meinten jetzt die Schiffe zu
gewinnen, denn es verdross sie, dass sie vormals mit Schande zurück-
weichen mussten. Aber es ist ein altes Sprichwort: „Grosse Eile giebt
selten gute Weile." So ging es den Dänen diesmal auch, denn sie
fielen zu Haufen in das Wasser, und der eine drängte dem anderen
nach, sodass mehrere den Tag ertranken. Zu diesem Schaden mussten
sie noch Spott dazu haben; denn die auf den Schiffen riefen: „Kiz!
Kiz!" So pflegt man zu rufen, wenn man die Katzen jagt.
So erhielten die Wismarschen ihre acht Schiffe durch List und
harte Arbeit, bis Gott ein andres Wetter gab, dass das Eis verging; da
liefen sie nach Stockholm und entsetzten die Stadt Lutsche Chronik.