1883 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Sach, August, Keck, Heinrich, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
162
221. Der Schiffsbrand.
Es dröhnt mit dumpfem Schlage
die Brandung in mein Wort;
der Sturm zerreißt die Klage
und trägt beschwingt sie fort.
O möcht' er brausend schweben
und geben euch Bericht:
„Wohl lass' ich hier das Leben,
die Treue lass' ich nicht!"
Geibel.
221. Der Schiffsbrand.
'Yvyitijüt wogte das prächtige, majestätische Meer. Der Rand desselben mar
mit einem langen, dunklen Streifen eingefaßt, dessen Oberfläche rosen-
farben erglänzte; das war die im letzten Schimmer der Abendröte erglühende
Küste von Biscaya. Aus den Wellen schaukelte sich der stolze Rumpf einer
Fregatte; von ihrem großen Mast wehte der königliche Wimpel, von ihrer Gaffel
die blutrote Danebrogsflagge mit dem weißen Kreuz.
Von dem Verdeck bis zu den Oberbramstengcn war das Schiff mit seinen
Segeln bedeckt; aber der schwache Hauch des Windes hielt sie kaum gefüllt, und
nur langsam bewegte sich das Schiff der fernhin winkenden Küste entgegen. Die
Seitenborde waren mit einem glänzenden schwarzen Lack überzogen, dazwischen
liefen zwei weiße Linien in zierlicher Wölbung zur Schanze; es waren die Ein-
fassungen der Kanonenpsorten, die geöffnet waren und fünfzig Feuerschlünde
zeigten, welche hell erglänzten im scheidenden Abendlicht. „Atalante" hieß die
Fregatte. Aus den erleuchteten Fenstern tönte fröhliches Geschwätz; es schallte
von der Tafel des Kapitäns her, der seine Offiziere zu einem fröhlichen Bankett
um sich versammelt hatte.
Jetzt ertönte die silberne Pfeife des Hochbootsmanns, und gleich daraus
wurde es lebendig auf dem Verdeck. Aus den Masten und aus den Schanzen
kamen sie herbei und sammelten sich am Backbord des Mitteldecks. Hier stellten
sie sich nach der bestimmten Ordnung auf, je acht Mann um eine Schüssel;
nachdem diese gefüllt war, begaben sie sich nach den ihnen angewiesenen Plätzen,
und dann wurde die Abendmahlzeit in aller Ruhe gehalten, kauin daß die
Matrosen es wagten, den zunächst stehenden irgend eine Bemerkung oder einen
Einsall mitzuteilen.
Eine halbe Stunde verging auf diese Weise. Abermals ertönte der Schall
der silbernen Pfeife von einem Schiffsende zum andern. Die Eßgerütschaften
wurden schnell entfernt, und langsam und schweigend begaben sich die Matrosen
nach den: Mitteldeck. An dem großen Mast hatten sich bereits die Marine-
Soldaten ausgestellt; sie schulterten das Gewehr und schauten gleichgültig drein.
Der letzte Schimmer des Abendrotes war längst verglommen; der Mond ging
aus. Jetzt kamen auch die Offiziere aus der Kajüte und begaben sich nach dem
Backbord des Quarterdecks; der Marine-Offizier trat zu den Soldaten, die
Kadetten zu den Matrosen.
Endlich betritt der Kapitän das Verdeck. Aus ein Zeichen des Marine-
Offiziers wirbeln die Trommeln, und die Soldaten präsentieren das Gewehr.
Der Kapitän lüftet den Hut und dankt schweigend.
Die Glocke läutet zum Gebet.
Feierlich sammelt sich alles um den Schiffsprediger, der die üblichen
Gebete spricht; er befiehlt das Schiff und die Besatzung dem Schutze dessen, der
die Winde fesselt und den verschlingenden Wellen zuruft: „Bis hierher und