1883 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Sach, August, Keck, Heinrich, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
1. Die Deutschen um die Zeit von Christi Geburt.
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hoher Ruhm, und die größte Kriegsehre sahen sie darin, mit der Faust die
Stärksten erlegt zu haben. Daher beseelte sie ein stolzes Unabhängigkeitsgefühl:
niemandem zu gehorchen, keines andern zu bedürfen, ganz ans sich allein ange-
wiesen zu sein/ war ihnen die größte Lebensfreude. Namentlich im Norden
mieden sie es deshalb, gesellig in Dörfern zu wohnen; am liebsten hauste jede
Familie für sich auf dem einsamen Gehöft, umgeben von ihren Wiesen, Äckern
und Wäldern. Wo sie aber, wie es weiter im Süden mannigfach vorkam, in
Dörfern wohnten, da besaß jeder Grundbesitzer als freies Eigentum nur Haus,
Hof, den umzäunten Garten und seine Herde, dagegen waren Wald, Weide und
Ackerflur Eigentum der ganzen Dorfgemeinde, und der einzelne hatte nur das
Recht, in Gemeinschaft mit seinen Flurgenossen sie zu benutzen. Aber dies Recht
ward auch mit der größten Eifersucht gegen die Übergriffe anderer verteidigt;
keiner sollte sich über die anderen erheben, und selbst der gewählte Häuptling
war nur insofern hinsichtlich des Lebensunterhaltes bevorzugt, als ihm freiwillig
Geschenke dargebracht wurden. Auf dieselbe Gleichheit der Rechte hielten die
deutschen Bauern in der Volksversammlung, vor Gericht und int Heer. Nur
die Gesamtheit der Gleichberechtigten gab Gesetze und fällte richterliche Urteile.
Könige duldeten sie in der Regel nicht über sich, aber im Fall eines Krieges
wählten die Stammgenossen einen Heerführer oder Herzog; nur dann, wenn
der Hochmut und Unabhängigkeitssinn der Häuptlinge viele innere Fehden erregt
und dadurch einen Stamm geschwächt hatte, setzten sie ein mächtiges und erlauch-
tes Geschlecht zu fester und dauernder Herrschaft ein, um den Übermut der
Großen im Zaum zu halten.
Bonaltersher sahen die Deutschen im Ackerbau eine ehrenvolle Beschäf-
tigung; dabei waren sie mit den einfachsten Handwerken nicht unbekannt, aber
jeder Bauer verfertigte selbst seine Pflugschar und zimmerte selbst das Gebälk
seines Hauses, und die Hausfrau spann und wob das einfache wollene Wams
ihres Mannes, dem das Fell des von ihm erlegten Bären ein stattlicherer
Schmuck war. Erst später, als man auf den häufigen Kriegszügen Gefangene
machte und sich so die Zahl der Unfreien oder Knechte mehrte, denen man die
Arbeit zu überlassen anfing, sank dieselbe mehr und mehr in der Achtung,
und die Freien ruhten gern auf der Bärenhaut, wenn sie von Jagd- und Kriegs-
zügen feierten.
Denn ihre liebste Beschäftigung war von jeher diejenige, welche die
meisten Gefahren bot und die stärkste Manneskraft erforderte. Mit Begeisterung
stürzten sie sich daher selbst in den Kampf, und mit Begeisterung sangen sie
von den Heldenthaten ihrer Vorfahren. Die Schrecken des Todes zu verachten
und das Üngeheure zu wagen, darin bestand die Ehre des Kriegers. Und hier-
bei trat besonders glänzend ein Zug hervor, der dem stolzen Ünabhängigkeits-
gefühl der Deutschen zu widersprechen scheint, die gemütvolle Hingebung nämlich
au einzelne Personen, beneit sie bis zum Tode die Treue wahrten. Wenn sie
sich freiwillig durch Schwur oder Gelöbnis einem Heerführer zu irgend einem
Unternehmen verpflichtet hatten, so war dies ein Baud, das für heiliger galt,
als die Pflicht gegen das gemeine Beste des Volkes. So bildeten sich mächtige
Häuptlinge ein Gefolge, aus das sie sich unbedingt verlassen konnten, wie sie
denn ihrerseits verbunden waren, ihre Mannen in jeder Weise zu schützen.
Selbst Fürstensöhne traten oft in das Gefolge eines bewährten Häuptlings,