1883 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Sach, August, Keck, Heinrich, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
246
18. Rudolf von ñ>absburg.
18. Rudolf von Habsburg.
Tvrjemge, welcher Deutschland aus seiner Erniedrigung und Verwilderung
X7 rettete, war der Graf Rudolf, dessen Stammschloß, die Habsburg oder
Habichtsburg, im Gebiet der Aar iu der Schweiz lag. Er war allgemein bekannt
wegen seines ritterlichen Mutes und seiner Frömmigkeit. Daß aber der Erz-
bischof von Mainz bei der Kaiserwahl die Stimmen der deutschen Fürsten auf
ihn lenkte, soll folgende Veranlassung gehabt haben. Einst hatte Rudolf auf
der Jagd einen Priester getroffen, der zu einem Sterbenden ging, und ihm zur
Fortsetzung seines Weges sein eignes Pferd überlassen. Derselbe Priester aber soll
später Kaplan des Erzbischofs von Mainz geworden sein und diesen auf den
frommen Grafen aufmerksam gemacht haben. Die feierliche Krönung Rudolfs
fand zu Aachen im Jahre 1273 statt.
Dem Papste bestätigte er alle früheren Schenkungen und Ansprüche und
übernahm sogar das Versprechen eines Kreuzznges, der jedoch nicht zustande
kam. In die Angelegenheiten Italiens einzugreifen hielt Rudolf für zwecklos
und gefährlich, weshalb er auch nicht zur Kaiserkrönnng nach Rom zog. Er
verglich Italien mit der Höhle des Löwen in der Fabel, von der der Fuchs
sagt: „Ich sehe wohl die Fußtapfen derer, die glücklich hineinkamen, aber nicht
derer, die glücklich wieder herauskamen." Um so mehr wandte der König seine
Thätigkeit auf Deutschland, und die schwere Ausgabe, das gesunkene Ansehen
der Königskrone wieder zu heben, hat er vollständig gelöst.
Während alle Fürsten Rudolf als König anerkannten, hatte sich bis
dahin Ottokar, König von, Böhmen, dessen geweigert. Dieser Fürst hatte
während der kaiserlosen Zeit Österreich, Steiermark, Karnthen und Krain unter
seine Herrschaft gebracht und als der mächtigste Reichsfürst selbst nach der
deutschen Krone gestrebt. Seiner stolzen Seele war der Gedanke unerträglich,
einem armen Grafen, wie er Rudolf spottend nannte, Unterwürfigkeit schuldig
zu sein. Er weigerte sich daher, auf den Reichstagen zu erscheinen. Nachdem
er dreimal vergeblich geladen war, erklärten die versammelten Fürsten ihn in
die Acht und seiner Lehen verlustig. Da aber der Böhmenkönig auf seine Macht
trotzte, so beschloß Rudolf den Reichskrieg gegen ihn zu eröffnen.
Bald fühlte sich Ottokar von allen Seiten bedrängt, und er mußte sich
zu einem Vertrage bequemen, in welchem er Österreich, Steiermark, Kärnthen
und Krain abtrat, Böhmen und Mähren aber als Lehen empfing. Die feierliche
Belehnung erfolgte in Rudolfs Lager. An der Spitze eines glänzenden Gefolges
zog der stolze Ottokar in königlicher Pracht, schiminernd von Gold und Edel-
steinen, durch die stattlichen Reihen der deutschen Ritter, um knieend den Lehns-
eid zu leisten. Rudolf blieb in seiner schlichten Feldkleidung, und als ihn jemand
fragte, ob er nicht seinen königlichen Schmuck anlegen wollte, antwortete er:
„Nein! der König von Böhmen hat oft über mein graues Wams gelacht, heute
soll mein graues Wams einmal über ihn lachen, und die fremden Völker
sollen sehen, was die Waffen der Deutschen vermögen."
Bald aber fühlte Öttokar bittere Rene, sich gedemütigt zu haben, und
die Spöttereien und Vorwürfe seiner Gemahlin reizten ihn noch mehr auf.
Er mußte sich von ihr sagen lassen, er habe den deutschen König von fern wie
ein Hund angebellt und in der Nähe angewedelt; er habe sich gebärdet wie ein