1883 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Sach, August, Keck, Heinrich, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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31. Gustav Adolf.
Die Nachricht von seinem Tode verbreitete eine tiefe Trauer über das
ganze Land. Nach dem Willen des Kurfürsten ward der Sarg mit der teuren
Leiche den weiten Weg gen Wittenberg gefahren. Von allen Seiten strömten
Begleiter herbei. Wo der Tranerzug durchkam, wurden die Glocken gelautet.
Als man der Stadt Wittenberg sich näherte, zog die ganze Universität samt
allem Volk hinaus, ihn einzuholen. I)r. Bugenhagen hielt die Leichenpredigt.
Dann begruben sie die Leiche in der Schloßkirche vor dem Altar und deckten
eine einfache Steinplatte über die Gruft. Runkwitz.
31. Gustav Adolf.
3n dem furchtbaren dreißigjährigen Kriege, der so entsetzliches Elend über
Deutschland gebracht hat, ist auf protestantischer Seite kein größerer Held
aufgetreten, als Gustav Adolf, der Schwedenkönig. Schon waren die
Evangelischen den Katholiken völlig erlegen, und ganz Norddeutschland schien
der Knechtschaft preisgegeben zu sein; da landete Gustav Adolf im Sommer
des Jahres 1630 mit 15 000 Mann in Pommern, um seinen bedrängten
Glaubensgenossen beizustehen. Aber wie klein war dieses Heer gegenüber der
Kriegsmacht des deutschen Kaisers! „Wir haben halt a Feindle mehr!" sagte
dieser spöttisch, und die Wiener nannten Gustav Adolf nur den Schneekönig,
der bald schmelzen werde, wenn er weiter nach Süden hinabkomme. Der kriegs-
knndige Tilly aber meinte: „Der König von Schweden ist ein Feind von großer
Klugheit und Tapferkeit, ein Feind, der den Krieg zu führen weiß. Sein
Heer ist ein Ganzes, das er wie sein Roß mit dem Zügel regiert." Und
Gustav war unstreitig der erste Kriegsheld seiner Zeit, ein Feldherr, wie seit
Jahrhunderten keiner aufgestanden. In seinem Heere herrschte die trefflichste
Mannszucht. Während bei den Wallensteinschen Scharen alle Laster im
Schwange gingen, wachte Gustav mit eben der Sorgfalt über die Sitten der
Soldaten, wie über die kriegerische Tapferkeit. Jedes Regiment mußte zum
Morgen- und Abendgebet einen Kreis um den Feldprediger schließen und unter
freiem Himmel seine Andacht halten. Fluchen, Spielen, Rauben war strenge
verboten. In allen Tugenden ging Gustav selbst den Seinigen als Muster voran.
Seine lebendige Gottesfurcht gab ihm in den schwierigsten Lagen Mut und
Besonnenheit, und seine Soldaten waren von dem festen Vertrauen erfüllt, daß
sie unter einem so frommen und tapferen König siegen müßten.
Als Gustav den deutschen Boden betrat, fiel er im Angesicht seines ganzen
Heeres auf die Kniee, dankte Gott mit lauter Stimme für die glückliche Über-
fahrt und flehte um seinen ferneren Segen. Den umstehenden Offizieren kamen
vor Rührung die Thränen , in die Augen. „Weinet nicht, meine Freunde,"
sprach der König, „sondern betet! Je mehr Betens, desto mehr Sieges.
Fleißig gebetet, ist halb gesiegt." Und siehe, bald wichen die Kaiserlichen vor
den tapferen Schweden zurück. Aber die protestantischen Fürsten waren so
furchtsam vor der Macht des Kaisers, so mißtrauisch gegen den ausländischen
König, daß sie lange zögerten, sich an Gustav anzuschließen. Die ängstlichen
Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen verweigerten ihm geradezu den Durch-
zug durch ihr Land. Daher konnte Gustav das hart bedrängte Magdeburg
nicht mehr retten. Die blühende evangelische Stadt wurde von Tillh erobert.