Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 379

1883 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
82. Beschreibung ctne5 Gewitters in Brasilien. 379 schend und ^ich darauf freuend. Man beschlug in der Eile noch, wo es fehlte, und heilte die durch den Druck der Sättel entstandenen Wunden. In dieser regsamen Thätigkeit verblieb die Gesellschaft, bis endlich die Tiere aus die Weide getrieben und die Abendmahlzeit genossen war. Eine Wachskerze leuchtete uns noch zu irgend einer den Schlaf herbeiführenden Lektüre, der dann auch, nach einer ruhelos hingebrachten Nacht, sich wie ein lieber Gast nicht lange bitten ließ. Zwar leuchteten Blitze schon lange aus der Ferne durch das Dunkel der Bäume, und das serne Rollen des Donners verkündete die Ankunft eines Gewit- ters; aber der Schlaf war mächtiger, als alle Drohungen des Himmels. Wir genossen wohl eine Stunde lang der Ruhe, als das Unwetter mit aller Macht einbrach und uns erweckte. Ein Orkan, der mit furchtbarer Gewalt die Urbüume schüttelte und bis zu den Wurzeln bewegte, raste voran und riß in wirbelnden Bewegungen meine Bettdecke fort, indes er zugleich die Ziegel des Daches neben unserin Lager niederwarf. Zusammengekauert unter Ochsenhäuten saßen die Neger an: erlöschenden Feuer und kreuzten sich bei jedem Blitze. Auch wir rückten der stehenden Wand näher, Schutz gegen die herabfallenden Ziegel und den nun in Strömen niederstürzenden, vom Winde auf uns getriebenen Regen zu suchen. Selbst unsere Maultiere und Pferde, geschreckt vom wilden Getöse und dem Niederstürzen der Bäume, flohen aus dem Walde unter unser unsiche- res Dach. Es ist schwer, sich eine deutliche Idee von dem schauerlich Großen eines nächtlichen, mit Sturm begleiteten Gewitters in einem Urwalde Brasiliens zu machen, und Schauer erregend, ihm ohne Obdach ausgesetzt zu sein. Noch schwerer bleibt die Beschreibung eines solchen Gegenstandes, der alles in seiner Furchtbarkeit überbietet. Ein Sturm zur See, wenn Segel reißen und Masten brechen, ist wohl wegen des schwankenden Elements gefahrvoller, doch grausender dieses. Bei jenem sind die Momente die schrecklichsten, wo der Schiffer die dem Sturm sich entgegenstemmenden Gegenstände, Masten und Segel, noch nicht ein- gezogen und verkleinert und der einwirkenden Gewalt angepaßt hat. Ist dieses Geschäft aber vorüber und glücklich überstanden, so kann man sich auf offener See und in wasserdichtem Fahrzeuge sorglos schaukeln lassen; das Heulen des Windes in den Tauen, das Rasseln und Knarren der Masten und Segelstangen, das Dehnen, Renken, Winden und Knistern des Schiffsbauchs, die an- und überschlagenden Wellen hört man nach einigen Stunden ohne Angst; der Ein- druck wird schwächer und schwächer, und selbst der Donner verliert von seiner Furchtbarkeit; er eilt schnell vorüber und man liegt ruhig in der Kajüte. Nicht so Stürme und Gewitter, wie ich sie in den brasilianischen Wäldern oft erlebte. Immer waren sie mir furchtbar, und selbst den Tieren schien es unheimlich zu Mute zu sein, denn auch die kleinsten wurden unruhig, besonders die Frösche. Das Toben des Windes in den Riesenbäumen Brasiliens, das Gekrache der umstürzenden, nahe und fern das Abfallen dürrer Äste, der Strom sich ergießen- den Regens, das Geheul wilder Tiere, besonders der Affen, die vielleicht durch einen niederstürzenden Baum aus ihrer Schlafstätte geschleudert, vielleicht auch beschädigt wurden, das unaufhörliche Krachen und Rollen des Donners mit sei- nen unendlichen Echos, das wunderliche Licht, welches die hellen Blitze unter dem Dunkel des schwarzen Waldes verbreiteten, dabei die beständige Gefahr, von dürren Ästen oder niederstürzenden Bäumen erschlagen zu werden, alles dieses versetzte mich immer in den unbehaglichsten Zustand.
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer