1883 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Sach, August, Keck, Heinrich, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Zz. Der braune Bär.
ter als andere Tiere imstande, auf den Hinterbeinen allein zu gehen oder sich
aufzurichten. Der bekannteste von allen ist der braune Bär. Er kann eine
Länge von zwei Meter und ein Gewicht von 400 Pfund erhalten.
Dieses größte Raubtier Europas findet sich jetzt noch, aber selten, im
Bayerschen und Österreichischen und noch ziemlich häufig in Ungarn, Polen und
Rußland; auch in einem großen Teile von Asien. In Thüringen wurde der
letzte 1686 geschossen. In früheren Zeiten fand man ihn in Deutschland, und
in der Schweiz war er viel häufiger als jetzt.
Sein Aufenthalt sind dichte Wälder, die er nur nachts verläßt, um seine
Wanderungen nach Raub anzustellen. Obgleich sein ganzes Wesen plump und
unbeholfen ist, so durchläuft er doch, besonders wenn er sich gefährdet sieht,
weite Strecken und ist unermüdlich, wenn er Tiere verfolgt.
Die Nahrung des jungen Bären besteht mehr aus Pflanzen als aus Tie-
ren; im Frühjahr frißt er aufkeimendes Korn oder Gras und im Sommer
und Herbst Erdbeeren, Trauben und Kastanien. Man hat Beispiele, daß er
Kindern die Körbe mit Erdbeeren ausgeleert, ohne ihnen Schaden zuzufügen.
Honig ist ihm der größte Leckerbissen, und ans diese kleine Liebhaberei gestützt,
hat man mehrere sehr sinnreiche Fangarten erdacht. Man macht nämlich in
Rußland eine Honigspnr bis zu dem Baume, der einen Bienenstock enthält, und
befestigt an ein Seil einen tüchtigen Klotz, welcher dann vor dem Eingang wie
ein Pendel hängt. Der Bär, sehr vergnügt, den Baum mit seinen Leckerbissen
gefunden zu haben, besteigt solchen, findet aber jene zu seinem Leidwesen ver-
sperrt. Da er nun bemerkt, daß der Klotz beweglich ist, giebt er demselben
einen tüchtigen Stoß, daß er davon fliegt. Der aber kommt wieder und ver-
setzt ihm einen derben Schlag ans das Gesicht; darüber brummig, schleudert er
ihn noch weiter; allein die Schläge werden immer heftiger, bis sie ihn besin-
nungslos in die unter dem Baum eingebohrten spitzigen Pfähle stürzen.