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1. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 16

1883 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
16 12. Die Zerstörung Magdeburgs. Doch schon drang Pappenheim, nachdem er — der erste im An- stürme — die schwache Besatzung einer Schanze überrumpelt hatte, zugleich mit den Flüchtigen durch die Pforte auf das Bollwerk. Von hier aus ergoss sich die feindliche Schar mit dem Eufe: „Jesus Maria!“ in die nächsten Strassen. Nun erst wusste man in der Stadt, um was es sich handle. Die Kriegsfahne ward aufgesteckt, von den Türmen ward Sturm geblasen, alles griff zu den Waffen. Falkenberg, der tapfere Befehlshaber der Stadt, warf sich auf sein Pferd, führte sein Regiment im Sturmschritt den Pappenheimern entgegen, brachte sie zum Weichen, fiel aber, von einer Kugel tödlich getroffen, gleich beim Beginn des Kampfes. Die Truppen, obgleich ihres Führers beraubt, kämpften heldenmütig weiter, auch an andern Orten fehlte es nicht an der tapfersten Gegenwehr. Der Feind jedoch, der auch durch das unbewacht gewesene Fischerthor in die Stadt gedrungen war, wurde mit jedem Augenblicke stärker, erdrückte zuletzt die Verteidiger und öffnete die Thore; von allen Seiten stürmten die wilden Horden in die Stadt, und das Gebrüll: „ All’ gewonnen! All' gewonnen! “ durchhallte die Strassen. Wer vermag aber die Greuel zu schildern, die nun von den ent- menschten Soldaten in der unglücklichen Stadt verübt wurden, die ihnen als „Ketzernest“ und als Sammelplatz unerhörter Reichtümer überant- wortet worden war. Gegen 30 000 Menschen wurden ermordet und zwar zum grössten Teil auf die entsetzlichste Art. Wenn man an das Flehen der Geängstigten denkt, das zum Himmel erscholl, an die Rufe der Ver- zweiflung , an das Geschrei und Todesstöhnen der Schwerverwundeten, an das unsägliche Leid, das Eltern empfanden, denen man die unschul- digen Kinder ermordete, und an das der Kinder, deren Väter und Mütter vor ihren Augen hingeschlachtet wurden, — wenn man sich vorstellt, dass die in die Elbe geworfenen Leichen sich auf einer Stelle so häuften, dass sie den Strom in seinem Laufe hemmten — dann erfüllt Grausen die Seele. Ein Flammenmeer überdeckte zuletzt ganz Magdeburg, und die Glut verjagte endlich die entmenschten Würger, die die Zerstörung der Stadt als die „magdeburgische Hochzeit“ feierten. Am 13. Mai erschien endlich Tilly selbst in der Stadt, nachdem die Hauptstrassen von Schutt und Leichen einigermassen gereinigt waren. Schauderhaft grässlich, empörend war die Scene, welche sich jetzt der Menschlichkeit darstellte! Lebende, die unter den Leichen hervorkrochen, herumirrende Kinder, die mit herzzerschneidendem Geschrei ihre Eltern suchten, Säuglinge, die an den toten Brüsten ihrer Mütter lagen! Pappen- heim schrieb an den Kaiser, dass seit Eroberung Trojas und Jerusalems kein grösserer Sieg gesehen worden sei. Der feierliche Einzug des Generals, welcher am 14. Mai erfolgte, machte endlich den Greuelthaten ein Ende. Nur 3000 Einwohner kamen mit dem Leben davon. Ausser dem Dom und der Liebfrauenkirche blieben eine geringe Anzahl erbärmlicher Häuser in der Stadt stehen. Aber noch in demselben Jahre ward das Schicksal der Stadt an dem Sieger schrecklich gerächt, denn am 17. September 1631 besiegte ihn Gustav Adolf in der Schlacht bei Breitenfeld.
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