1888 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
155. Die Buche.
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arten. Herrliche Gruppen davon findet man oft in der norddeutschen Tiefebene;
kein schöneres Bild giebt es, als wenn mehrere dieser ehrwürdigen Bäume auf
saftig grünem Rasen beisammen stehen und ein klarer Quell zwischen ihnen
hindurch rieselt und das Blau des Himmels hier und da durch das Laubdach
scheint. Möchten der Bauer und der Gutsherr diesen edelsten Schmuck ihrer
Felder doch überall mit rechter Liebe hegen und schonen!
Unscheinbar, aber doch auch von gedrungener Kraft zeugend ist die Frucht
des Baumes, die Eichel. Sie ist zwar kein wohlschmeckendes Obst, aber
geröstet giebt sie einen stärkenden Kaffee, der oft von den Ärzten als Heil-
mittel verordnet wird. Für das zahme Schwein ist sie eine vortreffliche Mast,
und dem Wildschweine bietet sie eine Lieblingsnahrung.
Die Rinde der Eiche hat scharfe und bittere Stoffe in sich, welche eine
sehr gute Lohe zum Gerben des Leders geben. In wärmeren Ländern Europas
wächst die Korkeiche, deren Rinde man alle acht bis zehn Jahr vorsichtig
abschält, um daraus die bekannten Flaschenstöpsel zu machen. Beim Abschälen
muß man sich nur in Acht nehmen, die darunter liegende zarte Haut nicht zu
verletzen: braucht man aber die nötige Vorsicht, so wächst die Rinde immer
wieder nach. Die Korkeiche wird über 150 Jahre alt, doch nur, wenn man sie
schält; unterbleibt dies, so stirbt sie schon im fünfzigsten oder sechzigsten Jahre ab.
Von den Eichen, welche in unserem gemäßigten Klima vorkommen, unter-
scheiden wir zwei Arten: die Winter- oder Steineiche und die Sommer-
eiche. Jene hat eine mehr braune und gefurchte Rinde. Sie bleibt etwas nie-
driger, als die Sommereiche, aber ihr Holz ist das festeste und dauerhafteste. Das
Laub bricht etwas später hervor, und die Blüte erscheint erst am Ende des Mai.
Kein anderer Baum ist so zum Schiffsbau geeignet, wie unsere Eiche;
ihr bleibt vorzugsweise die Ehre, stolz das Weltmeer zu durchsegeln. Kein
anderes Hausgerät ist so auf Jahrhunderte brauchbar, als das aus dem Eichen-
holz gefertigte.
Auf der einzelnen Eiche lebt eine unendliche Menge von Tieren. Beson-
ders bemerkenswert ist darunter die Galtwespe, welche im Herbste mit ihrem
Stachel in die Blätter hineinbohrt und in die Öffnung ihre Eier legt. Davon
schwellen die gestochenen Teile an, und es entstehen die kleinen, runden Gall-
äpfel. Diejenigen, welche man in unseren Gegenden findet, find nicht viel
wert; aber die, welche im südlichen Europa und in Kleinasien erzeugt werden,
find von außerordentlicher Wichtigkeit für die Bereitung der Tinte und die
Färberei. A. G r u b e und M a s i u s.
155. Die Buche.
Der eigentliche norddeutsche Waldbaum ist die Buche. Sie liebt
sanftgehobene Flächen und wächst gern auf den sonnigen Hügeln, die
sich vor den Höhen des Gebirges hinziehen. Durch ganz Thüringen,
in den Harzthälern, auf Rügen, im östlichen Schleswig-Holstein herrscht
dieser Baum; aber in der stolzesten Pracht seines Wachstums erscheint
er auf den dänischen Inseln, namentlich auf Seeland.
Unter allen Bäumen ist er der geselligste; er schiefst seine Wur-
zeln nicht tief ins Erdreich, sondern kreuzt sie mit denen seiner Nach-