1888 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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4. Bonifacius, der Apostel der Deutschen.
So predigte er denn von neuem den Heiden und vorzugsweise den Hessen mit
der ihm eigenen leidenschaftlichen Kraft. Um durch eine in die Augen fallende That
die Menschen von der Ohnmacht der heidnischen Götter zu überzeugen, fällte er selbst
eine uralte, dem Wodan heilige Eiche, die in der Nähe des heutigen Geismar stand.
Die Umstehenden erwarteten mit Entsetzen, daß sofort ein Blitzstrahl den Frevler
treffen werde. Als das aber nicht geschah, erkannten sie die Machtlosigkeit ihrer
Götzen, und viele ließen sich taufen. Aus dem Holz der Eiche erbaute Bonifacius
eine dem hell. Petrus geweihte Kapelle (das nachmalige Kloster Fritzlar).
Noch größere Schwierigkeiten fand der unermüdliche Mann in Thüringen,
denn hier widerstrebten auch viele irrgläubige und sittenlose Priester seinen An-
ordnungen, so daß er viele ihres Amtes entsetzen und neue an ihre Stelle
berufen mußte. Dennoch ließ er nicht nach in seinem Eifer; überall gründete
er Kirchen und Klöster, und wie er selber mit dem feurigsten Glauben die
werkthätigste Liebe verband, so wurden auch die unter seinem Einfluß gestifteten
Klöster bald Zufluchtsörter für die Bedrängten, Herbergen für die Wanderer,
Spitäler für die Kranken und Pflanzstätten für Kunst und Wissenschaft.
Nach diesen Erfolgen erteilte chm der Papst die Würde eines Erzbischofs
und lud ihn ein, wieder nach Rom zu kommen. Während dieses Besuches
kamen seine Pläne für die Gestaltung der deutschen Kirche zur Reife: als er
zurückkehrte, war er fest entschlossen, die Kirchenverfasfung des ganzen Landes
gleichmäßig zu ordnen und den Papst zum Schiedsrichter derselben zu machen.
Er berief im Jahre 742 die erste deutsche Kirchenversammlung, welche strenge
Gesetze gegen den anstößigen Lebenswandel vieler Geistlichen erließ und feierlich
den römischen Bischof oder Papst für das Oberhaupt der deutschen Kirche
erklärte. Im Einverständnis mit Pipin stellte er dann auch im westlichen Teil
des Frankenreiches, dem heutigen Frankreich, dieselbe Kirchenverfassung her und
ließ die Oberhoheit des Papstes von allen Bischöfen anerkennen.
Nachdem Bonifacius 30 Jahre lang für die Ausbreitung des Christen-
tums in Deutschland gewirkt hatte, ward er zum Erzbischof von Mainz gewählt.
In dieser mächtigen Stellung salbte er Pipin den Kleinen, den starken Reichs-
verweser des Frankenreiches, zum König; aber die Vollmacht dazu ließ er sich
vom Papste geben, so daß auch dies Ereignis wesentlich dazu beitrug, die
strenge kirchliche Ordnung und die Oberhoheit des Papstes zu befestigen.
Aber obgleich er so der erste Kirchenfürst Deutschlands war, vergaß er
doch nicht seiner eigentlichen Lebensaufgabe, der mündlichen Verkündigung des
Evangeliums und der Heidenbekehrung. In seinem siebzigsten Jahre legte er seine
erzbischöfliche Würde nieder und ging noch einmal als Glanbensbote oder Missionar
zu den westlichen Friesen. Keine Gefahr oder Beschwerde achtend, zog er von Ort
zu Ort und predigte mit solcher Begeisterung, daß täglich Hunderte sich taufen
ließen. Aber in der Gegend des heutigen Gröningen drang eine Schar heid-
nischer Friesen, voll Erbitterung über die Zerstörung ihrer Götzenbilder, auf ihn
ein; seine Begleiter griffen zu den Waffen, aber er verbot ihnen jeden Widerstand,
indem er auf die fromme Ergebung des Heilandes verwies; und so erlitt er
mit 52 Genossen den Märtyrertod im Jahre 755. Sein Schwert und Schild
war der Glaube an Jesus Christus; aber mit dieser Wehr und Waffe hat er
Dinge vollbracht, die vorher unmöglich erschienen waren. Nach Dielitz.