1888 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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32. Lriedrich Wilhelm, der große Kurfürst.
andere Gebiete, wodurch er den Umfang des Staates um ein Dritteil ver-
größerte. Dann kämpfte er ruhmvoll gegen die Polen, verteidigte als deutscher
Reichsfürst den vaterländischen Boden gegen die Angriffe der eroberungssüchtigen
Franzosen und schlug die gefürchteten Schweden, welche in sein Brandenburg
eingefallen waren, in der denkwürdigen Schlacht bei F ehr bell in.
In dieser Schlacht war das Leben des Kurfürsten in höchster Gefahr.
Die feindlichen Kugeln pfiffen dicht um ihn her, denn die Schweden kannten
ihn an dem Schimmel, den er ritt. Da sprach sein Stallmeister Froben:
„ Herr Kurfürst, ich sehe, Euer Schimmel ist scheu geworden; gebt ihn mir und
besteigt meinen Braunen."
Kaum waren die Pferde ge-
wechselt, da sank der treue
Diener, von einer Kugel
getroffen, tot herab. Der
Kurfürst selber kämpfte mit
Heldenkühnheit. Als eine
Schwadron ihren Haupt-
mann verloren hatte, stellte
er sich an ihre Spitze und
rief: „Mut, Kinder! Ich,
euer Fürst, bin jetzt euer
Hauptmann und will siegen
oder ritterlich mit euch ster-
den!" Und er gewann den
glorreichsten Sieg. Die
Schweden wurden gänzlich
geworfen und flohen eilig
zum Lande hinaus. — Ei-
nen bedeutenden Anteil an
diesem wie an den früheren
kriegerischen Erfolgen der
Brandenburger hatte der
Feldmarschall Derfflin-
ger. Er war früher Schnei-
dergeselle gewesen, hatte
sich aber durch Geist und
Kühnheit emporgearbeitet und ward vom Kurfürsten im Rate wie im Felde
sehr hoch geschätzt.
Ein Held im Kriege, war Friedrich Wilhelm seinen Unterthanen zugleich der
beste Landesvater. Auf alle Weise suchte er seinem durch den dreißigjährigen Krieg
erschöpften und verwüsteten Lande emporzuhelfen. Er unterstützte die Landwirt-
schaft und ließ in die entvölkerten und verödeten Gegenden Ansiedler aus Holland
und der Schweiz kommen, deren Fleiß den sandigen Boden Brandenburgs in
Ackerfeld und Gärten umschuf. Für Gewerbe, Fabriken und Handel war er nicht
minder thätig; er legte Straßen und Kanäle an, führte die Post ein und stiftete
sogar eine Gesellschaft für den Seehandel nach Afrika. Ein besonderes Verdienst