1888 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
36. Aus dem siebenjährigen Kriege.
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Schweidnitz war in die Hände der Österreicher gefallen, der Herzog von
Bevern geschlagen worden, und selbst die Hauptstadt Breslau hatte sich dem
Feinde ergeben. Schlesien schien verloren, wenn die Österreicher den Winter
über dort bleiben konnten. Da eilte Friedrich mit 14 000 Mann aus Sachsen
herbei, vereinigte diese mit den 16 000 Mann, welche von dem geschlagenen
Heere des Herzogs von Bevern übrig waren, fest entschlossen, die Feinde anzu-
greifen, wo er sie nur fände, „und wäre es", wie er sagte, „hoch aus dem
Zobtenberge." Bei Leuthen, zwischen Breslau und Neumarkt, stieß er auf
den Feind. Der Herzog Karl, an der Spitze von 80 bis 90 000 Mann, sah
mit Geringschätzung ans die kaum 30 000 Mann zählende preußische Armee,
die er spöttisch „die Berliner Wachtparade" nannte. Friedrich aber berief seine
Generale und Offiziere zusammen, schilderte in begeisterter Rede die Größe der
Gefahr, in welcher das Vaterland schwebte und bei welcher er nur von ihrem
Mute, ihrer Standhaftigkeit und Vaterlandsliebe die Rettung erwarten könne.
„Ich werde gegen alle Regeln der Kunst", fügte er dann noch hinzu, „die
beinahe dreimal stärkere Armee des Prinzen Karl angreifen. Es ist hier nicht
die Frage von der Anzahl der Feinde, noch von der Wichtigkeit ihrer Stellung:
alles dies, hoffe ich, wird die Herzhaftigkeit meiner Truppen und die richtige
Befolgung meiner Anordnungen zu überwinden suchen. Ich muß diesen Schritt
wagen, oder es ist alles verloren; wir müssen den Feind schlagen oder
uns alle vor seinen Batterieen begraben lassen. So denke ich, — so
werde ich handeln. Machen Sie diesen meinen Entschluß in der Armee bekannt,
bereiten Sie den gemeinen Mann zu den Auftritten vor, die bald folgen werden.
Im übrigen, wenn Sie bedenken, daß Sie Preußen sind, so werden Sie sich
gewiß dieses Vorzuges nicht unwürdig machen; ist aber der eine oder der andere
unter Ihnen, der sich fürchtet, alle Gefahren mit mir zu teilen, der kann noch
heute seinen Abschied erhalten, ohne von mir den geringsten Vorwurf zu leiden!"
Aus aller Augen leuchtete ihm auf diese Anrede nur tiefe Rührung und feuriger
Kriegsmut entgegen, und so fuhr er fort: „Schon im voraus hielt ich mich
überzeugt, daß keiner von Ihnen mich verlassen würde, — ich rechne also ganz
auf Ihre treue Hilfe und den gewissen Sieg. Sollte ich bleiben und Sie für
Ihre treu geleisteten Dienste nicht belohnen können, so muß es das Vaterland
thuu. Gehen Sie nun ins Lager und wiederholen Sie den Regimentern, was
Sie jetzt von mir gehört haben." Einen Augenblick Hielt er iurte, dann fügte
er mit ernstem Ausdruck hinzu: „Das Regiment Kavallerie, welches nicht gleich,
wenn es befohlen wird, sich unaufhaltsam in den Feind stürzt, lasse ich gleich
nach der Schlacht absitzen und mache es zu einem Garnisonregimente! Das
Bataillon Infanterie, das, es treffe, worauf es wolle, nur zu stocken anfängt,
verliert die Fahnen und die Säbel, und ich lasse ihm die Borten von der Mon-
tierung abschneiden! Nun leben Sie wohl, meine Herren, in kurzem haben
wir den Feind geschlagen, oder wir sehen uns nie wieder."
Die Begeisterung, welche Friedrich durch diese Rede den Ofsizieren ein-
geflößt, ging bald auf die gesamte Armee über: im ganzen Lager ertönte lauter
Jubel. Die alten Krieger reichten sich wechselseitig die Hände und beschworen
ihre jungen Kameraden, dem Feinde mutig unter die Augen zu treten. Frohe
Siegesbegeisterung durchdrang alle Herzeu.