1888 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
43. Die Schlachten des Befreiungskrieges.
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alle, alle kamen!" ist das erhebende Gedenkwort jener herrlichen Zeit geblie-
den. Das gesamte Volk wollte lieber die höchste Not und Entbehrung, als
eine neue Knechtschaft tragen. Ganz Preußen war wie eine große Waffenstätte;
alle Kräfte regten sich in neuer Lust und Frische. Jiinglinge, die kaum aus
dem Knabenalter getreten waren, Männer mit grauem Haar, Väter zahlreicher
Familien — alles eilte herbei zu dem harten Dienste des Krieges. Aber nicht
die Männer allein, es waren auch Greise und Kinder und vor allen die Frauen,
welche von einem schönen Eifer entbrannt waren. Das ganze Volk arbeitete
und lebte für den Krieg. Wer nicht mitziehen konnte, der gab sein Gut und
die Arbeit seiner Hände. Freudig brachte die Hausfrau ihren Schmuck oder
ihr Silbergerät, das sie mit Zinn oder Eisen ersetzte, die Kinder ihren Spar-
psennig, die Dienstmagd die Ringe ans ihren Ohren; — und edle Jungfrauen
gab es, die, weil sie nichts anderes hatten, ihr langes, schönes Haar abschnit-
ten und den Erlös dem Vaterlande brachten.
Darum wird in der Geschichte des Vaterlandes der Frühling und Som-
mer 1813 unvergeßlich sein. Das aber ist das Herrlichste daran, daß die
Menschen wieder lernten, ihre Herzen zu Gott emporzuheben, von dem allein
Segen und Hilfe kommt. Deshalb wurden auch alle diejenigen, welche in den
heiligen Krieg zogen, feierlich in den Kirchen eingeweiht, und an heiliger Stätte
ward des Herrn Beistand in dem Kampfe für das Vaterland inbrünstig herab-
gesleht. Und wenn die ausrückenden Scharen durch Städte und Dörfer zogen,
geschah es unter ernstem, feierlichem Glockengeläute. Das klang wohl wie
Grabgeläute, und es konnten sich auch starke Männer in solchen Augenblicken
der Thränen nicht enthalten. Aber wenn auch die Ahnung eines nahen Todes
in die Brust der Streiter kam, sie blickten dennoch voll freudiger Erhebung
zum Himmel empor; gingen sie doch dem schönsten Tode entgegen, dem Tode
fürs Vaterland! Wetzel.
43. Die Schlachten des Befreiungskrieges.
napoleón hatte nach seiner Rückkehr aus Rußland rasch ein neues, zahlreiches
Heer geschaffen und den verbündeten Preußen und Russen entgegengesührt.
In Sachsen, bei Großgörschen und Bautzen, geschahen die ersten Schlach-
ten. Mit Heldenkühnheit fochten hier vor alíen die jungen preußischen Krieger;
doch die Franzosen behaupteten zuletzt das Schlachtfeld, und die Verbündeten
zogen sich in guter Ordnung vor der feindlichen Übermacht zurück. Bald aber
folgte diesem Zurückweichen ein mutiges Vorwärtsdringen. Den Russen und
Preußen schlossen sich die Österreicher an, und drei Heere standen nun dem
französischen Kaiser entgegen. Den Oberbefehl über die gesamte verbündete
Streitmacht führte der österreichische Feldmarschall Fürst Schwarzenberg; der
oberste Feldherr der Preußen war der General Blücher.
Dieser edle Preußenheld, ein Greis an Jahren, ein Jüngling an Feuer
und Kampfeslust, hat den Franzosen die grimmigsten Schläge ausgeteilt. Zuerst
besiegte er sie in der Schlacht an der Katzbach in Schlesien. Verwegenen
Mutes zog dort ein französisches Heer über das Flüßchen heran; da ruft
Blücher seinen Kriegern zu: „Nun hab' ich genug Franzosen herüber, jetzt, Kin-
der, vorwärts!" Dies „Vorwärts" dringt allen ins tiefste Herz. „Hurra!"