1888 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
51. Der große deutsche Krieg von 1866.
309
51. Der grosze deutsche Krieg Von 1866.
1. T\te gemeinsame Regierung, welche Preußen und Österreich in den neu
jj erworbenen Ländern Schleswig-Holstein und Lauenburg führten, offen-
barte recht augenscheinlich, eine wie Verkehrte und unangemessene Stellung Preußen
im deutschen Bunde einnahm. Preußen,war der größte reindeutsche Staat und
hatte in den Befreiungskriegen durch kühnste Thaten die herrlichsten Erfolge für
Deutschland errungen; dennoch hatte die Eifersucht der anderen Fürsten Ver-
hindert, daß die westliche Masse seines Gebietes mit der östlichen in den richtigen
Zusammenhang gebracht würde, und am Bundestage suchten die übrigen deutschen
Staaten durch ihre Mehrheit das kühn aufstrebende Preußen immer niederzu-
halten. Das war um so unbilliger, weil im Fall eines Krieges Preußen die
Hauptlast für Deutschland tragen mußte und das preußische Volk fast über seine
Kräfte angestrengt ward, um seine deutschen Brüder gegen das Ausland schützen
zu können. Es war also eine Notwendigkeit für den König Wilhelm und seinen
Minister Bismarck, dahin zu streben, daß Preußen im deutschen Bunde die
Macht bekäme, die seinen Leistungen und Anstrengungen gebührte.
Zu einer solchen Machterweiternng war die Gelegenheit nach dem glor-
reichen Ausgange des deutsch-dänischen Krieges gegeben. Preußen mußte und
wollte in den für Deutschland gewonnenen Ländern festen Fuß behalten; und
wenn König Wilhelm auch nicht abgeneigt war, die Wünsche der Schleswig-
Holsteiner zu erfüllen und ihnen den Prinzen Friedrich von Augustenburg zum
Herzog zu geben, so bestand er doch darauf, daß das schleswig-holsteinische Heer
einen Teil des preußischen bilden und der schöne Kieler Hafen in seiner Hand
bleiben solle. Damit waren aber die meisten andern deutschen Fürsten, nament-
lich der Kaiser von Österreich, nicht einverstanden. Aus Eifersucht begünstigten
sie jetzt die Ansprüche des augnstenburgischen Hauses und wollten, daß die Her-
zogtümer unter der Regierung desselben einen vollkommen selbständigen deutschen
Kleinstaat bildeten. So ging es nicht länger mit der gemeinsamen Regierung
Schleswig-Holsteins durch Preußen und Österreich: durch den Vertrag von
Gastein im August 1865 setzten sie sich in der Weise auseinander, daß
Österreich das kleine Lauenbnrg gegen eine Entschädigung von beinahe drei Mil-
lionen Thalern an Preußen abtrat, Schleswig aber fortan durch einen preußi-
schen, Holstein durch einen österreichischen Statthalter regiert werden sollte.
2. Aber auch diese Verabredungen sicherten nicht lange den Frieden. Ter
preußische Statthalter in Schleswig, General von Manteuffel, regierte hier
mit Festigkeit, aber zugleich mit großem Wohlwollen gegen die Bevölkerung; aber
unter den Augen des österreichischen Statthalters in Holstein, des Generals
von Gablenz, geschah vieles, wodurch gegen Preußen Erbitterung hervorgerufen
ward. Zugleich drängte sich die Entscheidung der Frage heran: wer Herr in
Deutschland sein solle: das evangelische und reindentsche Preußen
oder das katholische und nur zum kleineren Teil Deutschland unge-
hörige Österreich. Das letztere rüstete sich insgeheim, um Preußen mit Hilfe
anderer deutschen Fürsten gewaltsam niederzudrücken, es zu zerstückeln und zu
entehren; gleichzeitig verlangte aber der kraftvolle Graf Bismarck eine solche
Umgestaltung des deutschen Bundes, daß Preußen dieselben Rechte und dieselbe