1888 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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und die Wiederherstellung des deutschen Reiches.
land allein den Kampf, in welchem doch das Wohl Europas auf dem Spiele
stand. Doch auch so bildeten die deutschen Heere zusammen eine Kriegsmacht,
wie die Welt sie noch nicht gesehen hatte; ihre Zahl belief sich auf reichlich
600 000 Mann. Die Hauptstärke war längs der deutschen Grenze pon Saar-
brücken bis in die Gegend von Weißenburg aufgestellt; sie war eingeteilt in
drei Heere, von denen das nördlichste, die erste Armee, unter dem General
v. Steinmetz stand, die dann folgende zweite Armee unter dem Prinzen
Friedrich Karl, die dritte Armee unter dem Kronprinzen Friedrich Wil-
helm. Zu der letzteren gehörten auch die Süddeutschen mit.
Das französische Heer war fast ebenso stark und in seiner Bewaffnung
furchtbar. Namentlich prahlte es mit rohen und wilden afrikanischen Horden,
die eine nie gesehene Verwüstung über Deutschland bringen würden, und mit
den neu erfundenen Vernichtungsmaschinen, die sie Mitrailleusen nannten. Doch
hatten sie den rechten Augenblick versäumt, einen Vorstoß in das deutsche Gebiet
zu wagen, ehe die diesseitigen Armeeen ihre Stellungen eingenommen hätten.
Nun standen die beiden feindlichen Streitmasfen an der Grenze einander gegen-
über, ans einer Linie von ungefähr 25 Meilen Ausdehnung. Hier sollte sich
in den ersten krachenden Schlägen das Kriegswetter entladen, hier sollte sich
das Geschick Europas entscheiden.
Der Kampf an der Grenze. — Am 2. August begannen die Feind-
seligkeiten, aber sogleich auf die Weise, die für den ganzen Krieg bezeichnend
geworden ist, daß nämlich das Streben der Deutschen immer auf das Wesen
der Sache, das der Franzosen immer auf den Schein gerichtet war. Die
kleine Besatzung nämlich von Saarbrücken, aus 1 Bataillon Infanterie und
3 Schwadronen Kavallerie bestehend, hatte 14 Tage lang, während die preußi-
schen Heeresmassen noch nicht herangerückt waren, den schon gesammelten franzö-
sischen Streitkräften gegenübergestanden: sie hätte durch die kleinste Anstrengung
des Feindes zurückgedrängt werden können, aber dieser wagte aus Unentschlossen-
heit und aus Unkenntnis der Stärke der Gegner nicht vorzugehen. Als aber
am 1. August der Kaiser Napoleon mit seinem Sohne beim Heere angelangt
war und das Oberkommando übernommen hatte, sollte sofort zur Befriedigung
der Eitelkeit des französischen Volkes ein gewaltiger Schlag erfolgen: mit unge-
heurer Überlegenheit warf man sich auf die kleine Besatzung von Saarbrücken,
diese zog sich langsam und ruhig zurück und verlor bei dem ganzen Kampfe
2 Offiziere und 73 Mann. Das war der französische „Sieg von Saarbrücken",
der in Paris einen wahren Taumel der Freude hervorrief, so daß man sich
schon vermaß, am 15. August, dem Napoleonstage, in Berlin einzuziehen; in
Wahrheit aber sollte dies in dem ganzen Kriege der einzige Punkt bleiben, wo
die feindlichen Heere auf wenige Tage die deutsche Grenze überschritten.
Denn schon am 3. August ging der Kronprinz am südlichsten Punkte
unserer Aufstellung zum ernsten Angriff über. Er überschritt bte Lauter und
eroberte am folgenden Tage die berühmten und stark befestigten „Weißen-
burger Linien", wobei eine ganze französische Division vernichtet wurde.
Aber bald kam es noch ganz anders. Unaufhaltsam drang er weiter in das
Elsaß ein, und schon am 6. August schlug er in der blutigen Schlacht bei Wörth
die Armee des gefeierten französischen Generals Mac Mahon derartig, daß