1888 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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53. Das Gottesgericht in Frankreich
daß der Ring, den unsere Vorposten um die riesige Stadt schlossen, eine Aus-
dehnung von mindestens 10 Meilen hatte. Je dünner aber die Truppen auf
diesen gewaltigen Ring verteilt waren, desto wachsamer mußten sie gegen Aus-
fälle sein und desto anstrengender ward der Dienst unserer Braven.
Inzwischen nahm die Belagerung der großen Festungen, die noch im Rücken
unserer Armee lagen, ihren Fortgang. Am 23. September mußte sich Toul
ergeben, wodurch die Eisenbahnverbindung zwischen den vor Paris liegenden
Heeren und Deutschland frei ward, so daß außer dem Proviant jetzt auch
schweres Geschütz nach Westen geschafft werden konnte. Größeren Jubel aber
erregte es in ganz Deutschland, als am 28. September nach tapferer Gegen-
wehr die Hauptstadt des Elsaß, die ehemalige deutsche Reichsstadt Straßburg,
von den badischen Truppen unter dem Oberbefehl des tapferen Generals von
Werder genommen und so dem Vaterlande die Perle seiner Städte zurück-
gegeben ward. Langwieriger war die Belagerung der früher noch nie bezwun-
genen Festung Metz, in welcher noch immer Bazaine mit seinem ganzen Heere
von Prinz Friedrich Karl eingeschlossen war. Hier hatten unsere braven Krieger
die schwerste Arbeit: der Herbstregen goß täglich in Strömen herunter und
weichte den lehmigen Boden so aus, daß sie nirgends eine trockene Stätte fan-
den, fast ununterbrochen, Tag und Nacht, mußten sie in durchnäßten Kleidern
aushalten. Dennoch murrte keiner, pflichtgetreu harrten sie aus in der Wacht
um Metz und schlugen wachsam und tapfer jeden Ausfall der Belagerten
zurück. Endlich am 27. Oktober kapitulierte Bazaine; es gerieten dadurch,
abgesehen von der ungeheuren Kriegsbeute, iu deutsche Gefangenschaft 173 000
Mann, darunter 3 Marschälle und über 6000 Offiziere. Das war wieder ein
Wasfenerfolg, gegen dessen Größe alle ähnlichen Ereignisse der Geschichte zurück-
traten: die Welt staunte, König Wilhelm beugte sich in Ehrfurcht vor dem All-
mächtigen, der ihn gewürdigt hatte, solche Thaten zum Heil Deutschlauds zu
vollbringen. Zugleich aber ließ er iu patriotischer Entschlossenheit bekannt machen,
daß er diese altdeutsche Stadt, die einst an Frankreich verratene, als festes
Bollwerk gegen den Westen mit deutscher Hand festhalten werde.
Eine schöne Frucht dieses großen Sieges war es, daß die Belagerer, ihrer
harten Arbeit jetzt ledig, nun wieder ins Feld ziehen konnten, um zur großen
Entscheidung von Paris mitzuwirken. Prinz Friedrich Karl rückte mit der
zweiten Armee vor, um die Einschließungsarmee von Paris gegen Angriffe von
Süden her zu schützen; die erste Armee, die jetzt unter den Oberbefehl des
bewährten Generals v. Manteufsel gestellt ward, erhielt dieselbe Aufgabe im
Norden der belagerten Festung. Und es war hohe Zeit, daß diese beiden Heere
zur Unterstützung heranrückten. Denn die eigenmächtige provisorische Regierung
m Paris hatte vor der Einschließung einen Teil ihrer Mitglieder nach Tours
gesandt, um von hier aus in den Provinzen eine allgemeine Volkserhebung
gegen die Deutschen zu veranlassen, und es war jener Regierungsabteilung durch
Erweckung der Vaterlandsliebe, aber auch durch die schändlichsten Lügen, wirk-
lich gelungen, eine Masse von Soldaten ins Feld zu stellen, die unseren braven
Truppen noch genug zu schaffen nmchte. Die Waffen lieferten ihnen England
und Amerika. Zwar hatte schon anl 11. Oktober der bayrische General von
der Tann mit Truppen der dritten Arniee die an der Loire sich sammelnden