1888 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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63. Der H>arz.
jugendlich übermütig die Holtemme in ihrer „steinernen Renne" dahin, bis sie
in die Bode einmündet. — Das Bodethal ist vorzugsweise mit Naturschön-
heiten gesegnet. Da liegen die Baumanns- und die Bielshöhle mit ihren
wunderlichen Tropfsteinbildungen. Am schönsten aber wird das Thal da, wo
die Bode in die Ebene tritt (ins Quedlinburger Thal). Der Fluß tobt schäu-
mend zwischen Felsstücken hin und wird immer enger eingeschlossen von hohen
Felswänden, deren eine fast senkrecht aufsteigt zu einer Höhe von 200 m. Oben
zeigt man einen riesig großen Roßhuf, der Voralters in den Felsgipfel gehauen
ist und wahrscheinlich den heidnischen Priestern dazu gedient hat, sich hinzu-
stellen und zu weissagen. Das ist die Roßtrappe. Der Sage nach ist die
Roßtrappe also entstanden. Der im Böhmer Walde hausende Riese Bohdo ver-
langte die Königstochter vom Riesengebirge, Emma, zur Gemahlin. Emma ent-
floh von der Schneekoppe und kam an die Grenze des Harzes; Bohdo jagte
auf seinem Zelter, der meilenlange Fluren in Minuten übersprang, hinterdrein.
Emma kam an jenen Felsen, unter dem an 1000 Fuß tief der Abgrund liegt;
der gegenüberstehende Fels war weit und steil; als sie aber Bohdo herannahen
hörte, setzte sie über den Abgrund glücklich hinweg, wobei das Roß seinen Huf
vier Fuß tief in das harte Gestein schlug. Bohdo, der nur auf Emma blickte,
sah den Abgrund nicht, stürzte hinein und gab so dem Flusse den Namen (Bode).
3. Die Bewässerung des Harzes ist im ganzen ziemlich reichlich: überall
sprudeln Quellen hervor, die sich zu kleinen Bergbächen und Flüssen vereinigen,
daher auch üppiger Wiesen- und Baumwuchs, auf der Hochfläche des Unter-
harzes sogar vortrefflicher Getreidebau. Von Bergseeen aber ist nicht die Rede.
Auf dem Brocken liegt der Schnee bis in den Mai und Juni hinein. Der
ganze Oberharz hat wenig Frühling, viel Nebel und Regen, etwa 6 Wochen
Sommer, ganz dem Klima von Norwegen und Schweden entsprechend.
Die Harzflüsse sind rein, doch reich an Krebsen und Fischen, besonders
Forellen. Wo die Thäler weit werden, treibt man Leinwandbleicherei; der
Flachsbau jedoch ist dem Harze fremd. Die Kartoffel ist die einzige Frucht,
die dem Harzer treu bleibt. Wenig Obst gedeiht in diesem Klima, desto mehr
stehen Blumen, Wald und Wiesen in Flor. An Preißel- und Blaubeeren ist
Überfluß: sie werden gesammelt und verkauft. Die Baumarten des Unterharzes
sind Ahorn, Esche, Ulme, Birke, Rotbuche; an den mildesten Punkten stehen Roß-
kastanien. Bei Wernigerode und Blankenburg sindet man aber auch die echte
Kastanie. In den Oberharz folgt der Tanne nur die Birke eine Strecke weit,
und noch etwas weiter die „Quitsche", deren rote Vogelbeeren dem Oberharzer
zu seiner Lieblingsbeschäftigung, deni Vogelfänge, gute Dienste leisten. In der
Höhe von 900 Meter schwindet am Brocken schon der Baumwuchs, nachdem er
zuvor niedrig und krüppelig geworden; nur das heilsame isländische Moos, die
Berganemone und einige Alpenkräuter fühlen sich auf dem kahlen Scheitel des
nebelumfluteten Vater Brocken wohl.
Im Tierreiche sind die Vögel am zahlreichsten vertreten und der- Spott-
vogel, der Zaunkönig, der Bergfinke, das Goldhähnchen, die Meise, der Zeisig,
der Star, das Rotkehlchen, der Falke und die Drossel, welche Heinrich I. den
Harz so lieb machten, sind noch jetzt sehr laut in diesen Waldungen. Die Jagd
liefert noch Eber, Hirsche, besonders viel Rehe; auch wilde Katzen ffnden sich