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1. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 380

1888 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
380 82. Beschreibung eines Gewitters in Brasilien. Noch auf meiner letzten Reise von Villa Rica nach Rio de Janeiro bestanden wir eine ebenso unangenehme Nacht. In einem tiefen, an und für sich schon Grausen erregenden Thale zwischen hohen, felsigen Bergen eingeschlos- sen, fließt der Rio das Petras sehr unbedeutend, aber bald mächtig werdend durch starke Regengüsse. Eine kleine Brücke führt, nicht fern von der Mündung eines andern kleinen Waldbaches, über denselben. Der Tag war so heiß gewesen, die Tiere waren so ermüdet, die reinen nut Gras bewachsenen Ufer und der grüne Abhang des untern Teils des Berges, beschattet von majestäti- schen, hohen, dichtbelaubten wilden Feigenbäumen, so einladend, daß wir uns entschlossen, auf diesem Platze unser Nachtlager aufzuschlagen. Hoch oben am Berge war die Wohnung eines Pflanzers. Es war noch früh am Tage, und wir hatten Zeit, unsere häuslichen Einrichtungen zu treffen. Der Boden war allenthalben rein, das Gras kurz, so daß von Schlangen nichts zu befürchten war. Vertrauend ans den schönen Abend, der uns eine herrliche Nacht ver- kündete, gaben wir uns keine Mühe, uns gegen Regen zu sichern. Einige lager- ten hier, die andern dort. Ich wählte meinen Platz unter einem großen, etwas erhaben stehenden Feigenbaum, breitete eine Ochsenhaut ans die Erde und ließ mein Bett daraus legen. Hochflammende Feuer verbreiteten einen wunderlichen Schein über die schlafenden Gruppen, das aufgetürmte Gepäck und das an den Bäumen herumhängende Sattelzeug. Mein kleiner Pflegesohn war mein Schlaf- kamerad. Lange dauerte es, ehe ich einschlafen konnte. Kein Lüftchen rührte sich, und nur das Rauschen des in der Ferne sich durch Felsen zwängenden Flusses unterbrach die Stille der Nacht. Die ganze Natur schien zu schlafen, und die Feuer verglimmten in sich, als ferner Donner und helle Blitze uns weckten. Schnell rückte das Gewitter näher heran, und die schleunigsten Maß- regeln mußten getroffen werden, uns gegen den Regen zu schützen. Die Feuer wurden vergrößert, das Gepäck und unser Lager mit Ochsenhänten zugedeckt. Bald wüteten Sturm, Regen, Blitz und Donner; jeder kroch unter seine Ochsenhülle und zog sich zusammen, da wo die Hülle nicht zureichte. Die dickbelaubten Bäume schützten anfänglich; später aber entledigten sie sich des Wassers in verdoppelten Güssen. Die Feuer erloschen vom unaufhörlichen Regen; die nahen Waldströme ertönten mit brüllendem Geräusche. Raben- schwarze Nacht umgab uns. Mein kleiner Schlafkamerad drückte sich fest an mich; alle, die einen in Betrachtung dieser unangenehmen Lage verloren, die andern, besonders die Neger, -sich vor Gottes Zorn fürchtend, verhielten sich ganz ruhig, keiner sprach ein Wort, bis endlich ein erlösendes, krachendes Geräusch uns mit einem Schrei des Entsetzens aufriß. Tausend Vermutungen, Angst, Zweifel, Furcht und Erwartung wechselten mit einem Male ab. Waren wir hier sicher oder der Gefahr ausgesetzt? war der Tod uns.nahe, oder welch furchtbares Naturereignis hatte sich zugetragen? Dies alles verbarg uns die dunkle Nacht, und wir ergaben uns mit klopfendem Herzen der Vorsehung. In diesem qualvollen Zustande der Angst, der Furcht und des Schreckens, die Neger immer „Barmherzigkeit, o Gott" ächzend, verblieben wir bis zum An- bruch des Tages; da erleuchtete die Sonne die Ursache jener Getöse—es war ein während des Gewitters unfern von uns herabgegangener Bergsturz. Esch Wege.
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