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1. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 381

1888 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
83. Das Erdbeben von Caracas. 381 83. Das Erdbeben von Caracas. Pom Anfange des Jahres 1811 bis zum Jahre 1813 war ein großer Flächen- raum, der die Provinz Venezuela, Westindien und einen Teil von Nord- amerika begreift, fortwährend den Erschütterungen unterirdischer Kräfte aus- gesetzt. Am Mississippi befand sich der Erdboden Tag und Nacht in dem Zustande eines steten Hin- und Herschwankens; die Stadt Caracas verspürte den ersten Stoß im Dezember 1811. Die Provinz Venezuela litt vor der Erschütterung, welche ihre Hauptstadt zerstörte, an großer Trockenheit; zu Cara- cas und in einem Umkreise von 311 englischen Meilen um diesen Ort war in den fünf Monaten, welche diesem Unglücke vorausgingen, kein Tropfen Regen gefallen. Am 26. März herrschte eine außerordentliche Hitze, die Luft war ruhig und der Himmel wolkenfrei. Es war gerade der erste Ostertag, und ein großer Teil der Einwohner befand sich in den Kirchen. Kein gefahrdrohendes Zeichen ging dem furchtbaren Ereignisse voraus. Sieben Minuten nach 4 Uhr abends wurde die erste Erschütterung gespürt. Sie war so stark, daß die Glocken in den Kirchen ertönten, und dauerte 5 bis 6 Sekunden. Unmittelbar aus diesen ersten Stoß folgte ein zweiter, welcher 10 bis 12 Sekunden anhielt. Während desselben war der Boden in einem beständigen Schwanken begrasten und wogte gleich einer kochenden Flüssigkeit. Man glaubte schon, die Gefahr sei vorüber, als sich ein furchtbares unterirdisches Getöse vernehmen ließ, wel- ches dem Rollen des Donners glich. Auf dieses Getöse folgte eine Erschütterung in senkrechter Richtung, und auf diese eine wellenförmige, die etwas länger dauerte. Die Stöße befolgten entgegengesetzte Richtungen, von Norden nach Süden und von Osten nach Westen. Es war unmöglich, daß irgend etivas die Bewegung von unten nach oben und die einander kreuzenden Bewegungen aus- halten konnte. Die Stadt Caracas ward gänzlich zerstört, und 9 bis 10 000 ihrer Einwohner wurden unter den Trümmern der einstürzenden Kirchen und Häuser begraben. Eine Prozession, welche gehalten werden sollte, hatte noch nicht begonnen, allein das Gedränge in den Kirchen war so groß, daß gegen 3 bis 4000 Personen durch den Einsturz der gewölbten Dächer zerschmettert wurden. Im nördlichen Teile der Stadt war die Erschütterung am stärksten. Zwei Kirchen dieses Teils, welche etwa 45 Meter hoch waren und deren Schiffe auf Säulen von etwa 4 Meter im Durchmesser ruhten, wurden in eine Maste von Ruinen verwandelt, die nirgends über anderthalb Meter hoch war. Das Ein- sinken der Trümmer war so bedeutend, daß nach wenigen Jahren kaum noch eine Spur von den Pfeilern und Säulen gesehen wurde. Die Baracken, aus denen ein nördlich von diesen Kirchen gelegenes Quartier bestand, verschwanden fast gänzlich. Ein Regiment Linientruppen, welches sich in einem großen Gebäude dieses Stadtteils versammelt hatte, um sich dem feierlichen Zuge der Prozession anzuschließen, wurde, mit Ausnahme weniger, unter diesem Haufe begraben. Neun Zehntel der schönen Stadt Caracas stürzten völlig in Trümmer zusam- men. Die Häuser, welche nicht einfielen, waren dergestalt gesprungen, daß es niemand wagen durfte, sie zu bewohnen. Die Hauptkirche, welche durch große Strebepfeiler gestützt ist, blieb stehen. Unter die 9 bis 10 000 Menschen, welche oben als die Zahl der durch das Erdbeben Getöteten angegeben wurden, sind nicht die Unglücklichen mit ein-
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