1888 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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110. Der ionbor.
laufen die Nerven des ganzen Körpers aus. Sie haben ferner die nämlichen
fünf Sinne, wie die Säugetiere, sowie endlich der Bau und die Einrichtung
der Teile ganz ähnlich wie bei diesen ist.
Daraus geht die Ähnlichkeit der Bewegungswerkzeuge der Vögel mit
denen der Säugetiere hervor. Sie haben dieselbe Lage, dieselbe Einlenkung,
dieselben Gelenke, nur dass die Vorderfüfse, mit Federn bedeckt und besetzt,
die Flügel bilden, welche keine Finger haben. Die Hinterfüfse dagegen sind
zuweilen auf der unteren Fläche mit kleinen hervorragenden Warzen besetzt,
um nicht beim Laufen vom Sande und von den Steinen beschädigt zu wer-
den. Zuweilen sind die Zehen durch eine Schwimmhaut miteinander ver-
einigt, oder auch nur eine Haut an den Gelenken der Zehen befestigt, die
sie beim Schwimmen ausbreiten können, wie bei den verschiedenen Arten
der Wasservögel, welche zugleich den platten, flachen Körper haben, um so
viel besser auf dem Wasser zu liegen. Bei anderen Vögeln sind die Federn
gleichsam aufgestülpt, oder reichen nur, wie bei den Schnepfenarten, bis
auf die Hälfte der Lenden, damit sie nicht in den Morästen und über-
schwemmten Plätzen nass und schmutzig werden. Diese haben zugleich
einen zusammengedrückten Körper, um so viel leichter zwischen dem Rohr
und Grase durchzudringen. Bei einigen endlich sitzen die Füsse ganz nach
hinten, ausserhalb des Gleichgewichts, so dass, wenn sie stehen, der Kopf
und der Schnabel gerade in die Höhe gerichtet sind. Sie können daher
nicht gehen, allein desto besser schwimmen und tauchen.
Die Zehen an den Füssen der Vögel sind sowohl in Ansehung der
Zahl wie der Lage verschieden. Die meisten haben vier Zehen, von wel-
chen 3 nach vorn und 1 nach hinten, selten 2 nach vorn und 2 nach
hinten gekehrt sind. Noch seltener haben sie nur 3 Zehen, wie der
Kasuar, oder gar nur 2, wie der Straufs. Selten endlich ist der Zeige-
finger sehr verlängert, wie bei den Lerchen. Auf jeder Zehe führen die
Vögel einen ordentlichen Nagel, welcher bei den Raubvögeln stärker, spitzer
und mehr gebogen ist, um dadurch die Beute so viel sicherer zu halten
und so viel leichter zu zerreifsen. Fabricius.
110. Der Condor.
1 Inter den Geiern, ja, unter allen Raubvögeln der größte ist der Condor,
vi welcher das Hochgebirge von Südamerika bewohnt. In der wärmeren Zone
lebt er ans 3 bis 4 Kilometer Höhe an dieser Gebcrgskette, an der Südspitze
des Festlandes steigt er bis znm Meeresrand hinab und horstet in den Klippen
des Users. Er hat ein bis anderthalb Meter Länge und spannt eine Flügel-
weite bis zu 4 Meter. Schwarz von Gefieder, trägt er eine weiße Halskrause,
einen nackten Hals und einen hornigen Kamm. Von den höchsten Gipfeln der
Berge ans erblickt man ihn immer noch über sicl^ znsammenschwindend zu einem
Punkt. Von allen Tieren der Erde erhebt er sich am höchsten über dieselbe.
Aber wie hoch er sich auch hebt, so bewegt er doch fast niemals die Flügel
sichtbar. Mit dem schärfsten Fernrohr kann man seine Bewegung nicht ent-
decken, nur den Hals sieht man ihn wohl verschiedentlich schwenken. Selbst
wenn er auswärts fliegt, scheint er die Flügel nicht zu regen, sondern nur