1888 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
143. Die Erden und die 5teine.
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dehnt es sich darin aus und zersprengt die Masse. Je höher die Granitberge
in die Gegend des ewigen Schnees hinausragen, desto gewaltiger ist deren Zer-
störung. Sobald der Grus der zersprengten Felsblöcke niederfällt, gerät er in
den Schnee, wird mit diesem zum Gletscher verhärtet und durch die langsame
Gletscherbewcgung so fein wie ans der feinsten Mühle zu Staub gemahlen.
Das Wasser der trüben Gletscherbäche führt diesen Schlamm fort und setzt
ihn weiter unten ab. Wenn die Steine noch unzermahlen aus dem Gebiete
der Gletscher kommen, so faßt sie der Bergstrom, indem er sie massenweis mit
sich fortwälzt und auf diese Weise zu Staub zerreibt. An anderen Stellen
nagt die Kohlensäure der Luft und die Säure des Moorbodens den Feldspat
so an, daß er sich, einiger seiner Bestandteile beraubt, in weiße Porzellanerde
verwandelt, wie man das an den in Heide- und Moorgegenden umherliegenden
Granitblöcken leicht wahrnehmen kann. Dadurch fallen dann die anderen
Bestandteile heraus, und alle werden ein Spiel der Wellen.
Die Ströme setzen im großen ebenso ab, wie man es im kleinen nach jedem
starken Regengüsse sieht, das Gröbste zu oberst, das Feinste zu unterst im Wasser-
lanf, und lassen, wenn der Steinschutt in das Meer geführt wird, das Feinstem
der Tiefe des Meeres, das Gröbere in der Mündung der Ströme und am L-trande.
Aus den zerriebenen Quarzkörnern entstehen auf diese Weise Schichten
von Sand, die später, wenn sie von anderen Massen überlagert und gedrückt
werden, sich in Sandstein verwandeln. Aus dem vom Gletscher gemahlenen
Gestein oder aus der Porzellanerde des verwitterten Feldspates entsteht durch
allerlei Verunreinigungen der Thon in seinen verschiedensten Gestalten, nament-
lich auch der durch Pflanzenreste schwarz gefärbte Marsch sch lick. Verhärtet
derselbe nachmals, so entsteht Thonstein, oder, wenn viel Glimmer mit zer-
rieben und dem Thone fein beigemengt wurde, Thonschiefer. Werden gleich-
zeitig mit dem Granite Kalksteine auf dieselbige Weise zermalmt, so vermischt
sich deren feiner Staub mit dem Thon, und es bildet sich Mergel, oder im
verhärteten Zustande nachmals Steinmergel und Mergelschiefer. Wenn
Thon oder Mergel noch wieder mit Sand und Eisenrost übermengt ist, so
entsteht daraus Lehm — kurz, durch die allereinfachsten Vorgänge erklärt sich
das erste Entstehen aller großen Erd- und Steinschichten, welche, je älter sie
werden, sich in ihrer Beschaffenheit wieder immer mehr dem Granit annähern
und anfangen, die drei Mineralien Feldspat, Quarz und Glimmer zu zeigen,
aus denen alles entstanden war, und zu denen alles zurückkehrt. Das aber
steht fest, daß diejenigen granitartigen Gesteine, welche aus Thonsteinen und
dergleichen abstammen, also den Weg durch das Wasser gemacht haben, diesen
ihren Ursprung auch später noch immer durch die deutlich erkennbare Schich-
tung, die das Wasser bewirkt, verraten.
Wo man geschichtetes Gestein sieht, da ist Wasser, und zwar in der
Regel das offene Meer gewesen, und wo man geschichtete Gesteine und Erden
mannigfaltiger Art übereinander gehäuft sieht, da ist in der Regel das Meer
viele Male nacheinander gewesen, und fast jedesmal wird man die Spuren
der Zeit, in welcher das Meer eine solche Schicht bildete, durch Überreste von
Pflanzen und Tieren, welche damals lebten und von allen vor- und nachleben-
den verschieden sind, bezeichnet finden. Meyn.