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1. Vaterländisches Lesebuch für die mittleren und oberen Klassen evangelischer Volksschulen - S. 147

1880 - Sondershausen : Eupel
147 6. Wie Siegfried und Kriemhild heimkehrten. So war Kriemhild gerettet, und freudenvoll eilte sie auf ihren Be- freier zu. Aber der war von der ungeheuren Anstrengung bis zum Tode erschöpft; ohnmächtig sank er zusammen, und lange lag er bewußtlos da. Darüber erschrak Kriemhild so, daß auch ihr die Sinne vergingen und sie wie eine Todte neben dem Helden lag. Endlich nach langer Zeit schlug Siegfried die Augen auf; als er aber die Jungfrau wie todt neben sich sah, brach er in laute Klagen aus und rief: „O weh mir, daß ich dies erleben soll! Die ich in Freuden ihrem Vater wieder heimführen wollte, die muß ich nun todt ihm bringen? Des werd' ich ewig klagen müssen." Das hörte der Zwerg Engel, der sich inzwischen, wie es stille auf dem Felsen geworden war, wieder hervorgewagt hatte. Schnell kam er herbei und sagte: „Sei nur getrost! ich will der Jungfrau ein Kraut eingeben, daß sie bald wieder gesund wird." So that er, und alsbald schlug sie die Augen wieder auf. Da fiel sie freudenvoll ihrem Retter Siegfried um den Hals und küßte ihn auf den Mund. Eugel aber sprach: „Du hast uns Zwerge von dem bösen Riesen, dem wir dienen mußten, befreit; dafür wollen wir nun auch dir dienen und dir helfen, wo wir können." Darnach führte er Siegfried und Kriemhild in seine Wohnung, und hier erholten sie sich bei köstlichen „Speisen und Getränken vollends von den überstandenen Mühen und Ängsten. Dann nahmen sie Abschied von dem guten Zwerg, um gen Worms zu reiten; denn sein treues Roß fand Siegfried noch unten am Fuße des Berges. Als sie aber eine kurze Strecke geritten waren, fiel Siegfried ein, daß der Schatz, den er im Berge gesehen hatte, ihm als dem Besieger des Drachen gehöre, denn er wußte ja nicht, daß es der Hort der Nibelungen, des guten Zwergvolkes, sei. So ritt er zurück und lud den Schatz auf sein Roß. Derselbe brachte ihm aber kein Glück. Am Hofe zu Worms wurden nun Siegfried und Kriemhild mit großen Freuden empfangen, und bald ward ihre Vermählung mit aller Pracht gefeiert. Es war ein herrliches Königspaar, und sie regierten mit großer Weisheit und Gerechtigkeit; mit ihrem Golde linderten sie, wo sie konnten, jede Not der Armut. Aber ihr großes Glück erregte bald den Neid von Kriemhildens Brüdern. Sie stifteten den grimmigen und düsteren Hagen an, Siegfried zu ermorden. Einst forderte Hagen ihn auf, mit ihm einen Wettlauf zu machen; Siegfried kam zuerst an das Ziel, einen kühlen Brunnen im Walde, und da er sich bückte, um zu trinken, durchbohrte ihn hinterrücks der böse Hagen an der einzigen Stelle, zwischen den Schultern, wo er verwundbar war. So endete der herrliche Siegfried. Den Nibelungenschatz versenkte Hagen heimlich in den Rhein; an dessen Grunde soll er noch heutzutage ^bgen. Nach dem Volksbuche. 206. Sprüche und Sprichwörter. 1. Not lehrt beten. 2. Wie man liest in der Bibel, so steht auf dem Hause der Giebel. 3. Was der Sonntag erwirbt, schon am Montag verdirbt. 4. Elternsegen ist Gottessegen. 5. Treue ist ein seltner Gast; halt’ ihn fest, wo du ihn hast. 6. Es ist etwas Grosses: Gottes Wort und ein Stück Brot 10*
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