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1. Vaterländisches Lesebuch für die mittleren und oberen Klassen evangelischer Volksschulen - S. 198

1880 - Sondershausen : Eupel
198 bort in englischer, in französischer, neugriechischer ober italienischer Sprache. Dieser Jube mit dem langen, seibenen Kaftan und der braunen Pelzmütze ist ans Polen; für mehr als 300 000 Mark Waare hat er schon gekauft, und noch immer wartet er auf neu ankonnnenbe Waare. Vergnügt reibt der Fabrikant die Häube, seine Niederlage ist fast geleert, und reiche Be- stellungen sinb für die nächste Messe bei ihm gemacht. Viele berartige Aufräumungen und Bestellungen, wie sie nicht zu den Seltenheiten gehören, welches Leben bringen sie in arme Fabrikgegenben; welcher Jubel, daß die Leipziger Messe „gut" ausgefallen! Daher das be- stünbige Nachfragen nach dem Gange der Geschäfte währenb der Messe. Ein Blick in jene großen Banquierhäuser, und wir staunen über die un- geheuren Gelbmassen, welche hier täglich durch die Hände des Kassierers gehen. Welche kostbaren Schätze in jenen großen Seibenwaarenlagern, welche Massen von Tuch, von Leinwand, von Rauchwaaren, von Leber, von wollenen und baumwollenen Stoffen in den Niederlagen und Gewölben zu ebener Erde, im ersten und zweiten Stocke! — Und nun der Kleinhandel! Sechshundert Buden bedecken den schönen, großen Markt in langen Reihen. Glas- und Steingut, Stroh- und Korbwaarcn, Dosen und Blechwaaren, Farbckästen, Bleistifte, Federn, musikalische Instrumente, erzgebirgische Spitzen und Nähwaaren, Nürnberger Spielwaaren, Bürsten, Handschuhe, Zöblitzcr Serpentinstein-Drechseleien und tausend andere Artikel liegen und hängen wohl geordnet zum Verkaufe. Zahlreiche Menschenmassen wogen vom Markte nach dem Augustusplatze zwischen der Post und dem ehemaligen grimmaischen Thore. Eine ganze Bretterstabt hat sich hier in wenigen Tagen auf beiden Seiten der Straßen erhoben. Hier ist der Hauptsitz des Kleinhandels! Längs des Augusteums oder Universitätsgebäudes sind die Buden der Schnitthündler, dahinter Glas- und Steingutbuben und die Kurzwaarcngeschäfte. Ihre verführerischen Schilber mit „Stück für 'Ltück zwei Groschen!" entlocken vielen das Gelb. Und nun ein Haupthandels- zweig dieses Platzes — „die Schuhwaaren." Lange Budenrcihen und nichts als Schuhe und Stiefeln, alle blank und schön, dauerhaft und weich, groß und klein. Doch wir verlassen diesen Platz und gehen nach dem Roßplatze „unter die Buden." Es ist Meßsonntag. Welch unaufhörlicher Lärm umtobt uns! In langen Budenreihen sind hier die Sehenswürdig- und Unwürdig- keiten der Messe aufgestellt. Menagerien mit wilden Bestien lassen uns die Töne der Wüste und Urwälder hören; Dioramen, Panoramen und Kosmoramen versetzen uns, wie mit einem Zauberschlage, in die Haupt- städte der Erde, in die schönsten Gebirgsgegenden, an die Wasserfälle und vor Prachtgebäude, ohne daß wir Leipzigs Thore verlassen haben; Wachs- figuren, beweglich und unbeweglich, führen uns Darstellungen aus der heiligen und Weltgeschichte vor. Daneben sind Buden, in denen Taschen- spieler ihre Kunststücke, Athleten ihre Stärke und die sonderbarsten Körper- stellungen und Verrenkungen für Geld zeigen, und außerdem noch Caroussels, Schenk- und andere Buden. Überall wird von Harfenmädchen gespielt, gesungen, von Musikbanden musiciert, von Ausrufern an allen Schaubuden mit Löwenstimme, selbst durchs Sprachrohr, eingeladen, in den Thierbuden geläutet, und dazwischen von Löwen, Hyänen, Tigern, Bären gebrüllt, von der wogenden Menge gelärmt, gelacht, geschrien, gezankt. Drei Wochen dauert die Messe, ungerechnet der vielen Geschäfte, die
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