1880 -
Sondershausen
: Eupel
- Hrsg.: Helmrich, Karl, ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
226
kalt wird, zieht er mit seiner Herde in wärmere Landschaften. Wo die
Ebene angebaut ist, liefert sie reichlich Weizen und Mais, des Volkes Haupt-
nahrung. Mitten in der weiten Ebene, von allen Küsten gleich weit ent-
fernt, liegt Madrid, die Hauptstadt, in der Ferne ringsum von blauen
Gebirgen umgeben. Der Spanier nennt sein Vaterland das Angesicht
Europas. Er hat es so lieb, daß er es äußerst ungern verläßt. Er ist
stolz, ernst und feierlich, gastfrei, und so nüchtern und mäßig, daß als der
ärgste Schimpfname das Wort Trunkenbold gilt. — Ehemals war das
schone Land viel reicher als jetzt.
Auch Portugal ist sehr heruntergekommen. Seine Hauptstadt ist Lissa-
von. Sie ist eine der am schönsten gelegenen Städw. Der Portugiese,
der freilich sonst gerne prahlt, sagt doch hier ohne Übertreibung im Sprich-
wort: „Wer Lissabon nicht gesehen hat, hat nichts gesehen." Das Innere
der Stadt aber ist nicht erfreulich-, die Straßen sind eng, krumm, schmutzig
und voll herrenloser Hunde.
Die Bewohner beider Länder bekennen sich zur römischen Kirche. Es
leben unter ihnen viele Zigeuner, deren liebste Länder die spanische Halb-
insel und Ungarn sind. Flügge.
43. Frankreich.
Obwohl Frankreich seinen Namen von einem berühmten deutschen
Volksstamme, den Franken, führt, welche einige Jahrhunderte nach unsers
Heilandes Geburt einen großen Theil dieses Landes einnahmen und sich
darin festsetzten, so ist dennoch von deutscher Art dort nichts zu finden.
Wie das von den Franken besiegte Volk beschaffen war, so sind auch die
heutigen Franzosen: flüchtig und leichtsinnig, veränderlich und immer neuen
Dingen nachjagend, übermütig und daneben freilich auch tapfer. Sie er-
finden alle Tage neue Moden, die dann leider auch in Deutschland bald
nachgeahmt werden.
Frankreich wird von seinen Bewohnern, „das schöne" genannt. Es
hat auch eine sehr günstige Lage. Im Süden ist es von Spanien durch
die Pyrenäen geschieden, welche nach Frankreich mit kurzen, schönen, an
wilden Waldströmen reichen Thälern abfallen. An ihrem Fuße liegt ein
wasserreiches Tiefland und in diesem die Städte Toulouse und Bor-
deaux. Im Südosten erfüllen zahlreiche und hohe Arme der Alpen die
Landschaft; an ihnen windet die Rhone in ihrem warmen Thalesich vor-
bei und geht bei der großen Seestadt Marseille ins Mittelmeer.
Da liegt an den Sevennen ein herrliches Südland mit mildem,
schönem Klima, wo der Ölbanm gezogen wird und der Seidenbau gut ge-
deiht. Aufwärts im Rhoncthal liegt Lyon, seit der alten Zeit der Kirche
weit bekannt geworden durch die Treue, welche die dortige Christengemeinde
in der Verfolgung bewies; heutzutage sind ihre Seidenwaaren, Gold- und
Silberarbeiten berühmt. In dem Gebirgslande westlich vom Rhoncthal
haben einst resormirte Christen unter Ludwig Xiv. ihren Glauben gegen
ihre Peiniger lange tapfer vertheidigt. Von diesen Landschaften aus senkt
sich der Boden allmählich gen Westen und Norden zum atlantischen Meere;
die Küste nähert sich im Nordwcstcn England bis auf eine Entfernung von
vier Meilen. Dieser ganze Boden ist über Hügel und Flüsse leicht gang-
bar, weshalb Straßen und Eisenbahnen nach allen Richtungen hin führen.