1880 -
Sondershausen
: Eupel
- Hrsg.: Helmrich, Karl, ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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gestaltet, so prachtvoll gefärbt, in so reicher Anzahl, und in so ungeheurer
Länge vorhanden, daß sie im Stande sind, die Tiefen des Meeres zu
märchenhaften Zanbergärten umzugestalten.
Das Meer ist auch das eigentliche Lebenselement zahlloser Thiere.
Wohin kein Eisbar mehr jagen geht, da wimmelt es von kleinen Schleim-
thieren in meilenweiter Ausdehnung. Zehn Kilometer breit färben sie
das dunkelblaue grönländische Meer grün, so daß 100 000 Menschen, und
wenn sie vorn Anfang der Schöpfung gezählt hätten, nicht im Stande sein
würden, diese Menge kleiner Thierchen zu zählen, denn bis 500 Meter in
die Tiefe regt sich Thier neben Thier, während es in andern Buchten des-
selben Meeres gegen 100 Meilen weit von braunen Medusen wimmelt,
von denen 4 Btillionen erst einen Kubikmeter füllen.
Soll ich ferner, um die riesenhafte Fülle der Meerthiere augenschein-
lich zu machen, noch erwähnen die 25 bis 40 Meter langen Walfischarten,
die 500 Kilogramm schweren Schildkröten, die Walrosse, Seekühe und See-
hunde, von denen jährlich auf den Jnselklippen des südlichen Eismeeres
allein über eine Million erlegt werden? Oder soll ich daran erinnern, wie
unendlich fein der Gliederbau, die Muskeln und Nerven, die Ernährungs-
organe und Blutgefäße jener Thierchen sein müssen, welche nur die Größe
eines Stecknadelkopfes oder einer Erbse haben?
Zn den wunderbarsten Geschöpfen des Meeres gehören die Polypen.
Was kein Baumeister der Welt zu vollbringen im Stande ist, das voll-
führen diese kaum erbsengroßen Thierchen. Sie bauen große, gewaltige
Steinburgen, thurmhohe Schlösser in ihren Korallenriffen und Korallen-
inseln, welche den Menschen eine willkommene Heimat bieten, und auf
denen-die schlanke Kokospalme ihre grüne Blätterkrone im Meereswinde
wiegt. Wie mühsam baut der Mensch seine Uferdämme gegen die an-
dringenden Meeresstuten! wie klappern und raffeln dabei seine gewaltigen
Dampfmaschinen! Die einzigen Polypen führen dagegen in geräuschloser
Beharrlichkeit den ewigen Kampf gegen die anprallenden Sturmwellen, sie
bauen Jahrhundert um Jahrhundert an ihren Dämmen, und siehe, so
großartig sind die von ihnen gebildeten Fels- und Inselgruppen, daß sie
sich meilenweit in den Ozean erstrecken. Wunderbar ist alles, wohin wir
blicken, überwältigend der Eindruck der Lebensfülle! Wie groß muß der sein,
der dies alles erdachte und erschuf! Nach Fr. Körner.
72. Die Erde und die Sonne.
Nach dem Augenscheine und nach dem allgemeinen Glauben wäre die
Erde mit allen ihren Bergen und Thälern eine große, runde Fläche, gleich
einer ungeheuren, großen Scheibe. Am Rande derselben weiter hinaus
kommt nichts mehr, dort ist gleichsam der Himmel an sie angefügt, der
wie eine große, hohle Halbkugel über ihr steht und sie bedeckt. Dort geht
am Tage die Sonne auf und unter, bald früher, bald später, bald links
an einem gewissen bekannten Berg oder Haus, bald rechts, und bringt Tag
und Nacht, Sommer und Winter, und bei Nacht den Mond und die
Sterne, und sie scheinen nicht gar entsetzlich hoch über unsern Häuptern
zu stehen.
Das wäre nun alles gut, wenn's niemand besser wüßte; aber die
Sternfeher wissend besser. Denn erstlich, wenn einer daheim weggeht und