1880 -
Sondershausen
: Eupel
- Hrsg.: Helmrich, Karl, ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Schachtelhalme so hoch empor wie unsere Apfelbäume. Ihre Stengel streck-
ten sich wie Säulen. Sie bestanden aus lauter in einander gefügten
Stücken von der Leibesstärke eines Mannes. Blätter trugen sie nicht.
Rund um diese Wälder breitete sich das Meer aus. In den Fluten spie-
gelten sich die hohlen Stämme und die grünen Blätter. — Es wäre kein
Vergnügen gewesen, in solchen Wäldern spazieren zu gehen. Da war kein
schöner Moosrasen am Boden; kein Gras wuchs hier; kein einziges Blüm-
chen duftete in solchem Walde. Da sang kein Vogel. Es gab kein Häs-
chen, kein Eichhörnchen, keinen Hirsch, kein Reh. Alles war todtenstill.
Der Waldgrund war ein großer Sumpf. Darin wuchsen die Bäume viele
Jahre. Die alten Stämme starben endlich ab und sanken in das nasse
Grab. Sie wurden vom Schlamm bedeckt. Neue wuchsen über ihnen auf
und folgten ihnen wieder nach. So versanken allmählich die Wälder.
Unter Schlamm und Schutt lagen sie Jahrtausende lang verschüttet. Immer
höhere Erdmassen wurden durch die Wellen des Meeres auf sie gespült.
Die gewaltigen Berge drückten so mächtig, daß ein Stamm dicht auf den
andern gepreßt wurde. Die zarten Blätter und Zweige zerknickten und
schoben sich eng ineinander. Das frische Grün verschwand; das helle Holz
und die braune Rinde verloren ihr Farbe. Alles ward schwarz. Regungs-
los lagen sie Jahrtausende in ihrem finstern Grabe.
2. Nimmer träumten die begrabenen Wälder, daß sie je wieder an
das Tageslicht kommen würden. Da klopft es über ihnen, erst fern und
leise, dann näher und näher. Jetzt pocht es ganz nahe. Die letzten Steine,
welche die Bäume bedecken, werden losgebrochen. Bergleute sind es. Mit
Brechstangen und Hauen brechen sie die Kohlen los und schaffen sie zu
Tage. — Die Steinkohle wird zur Stadt gefahren und wärmt den Ofen.
Sie läßt sich in einen großen Kessel bringen. Hier wird sie durch Feuer
erhitzt. Sie verwandelt sich in leichte Luft. Als solche zieht sie sich in
laugen, engen Röhren aus Eisen weit unter dem Boden fort, steigt dann
in ein feines Röhrchen senkrecht empor und strömt „heraus, wenn man eine
Schraube an ihm dreht. Ein Licht wird an die Öffnung gehalten, und
die aus den Kohlen entwickelte Luft brennt mit schöner, heller Flamme.
Ganze Städte werden auf diese Weise erleuchtet. Die Steinkohle heizt den
Wasserkessel der Dampfmaschine. Sie füllt als leichtes Gas die Luftballons
und steigt mit ihnen hoch in die Lüfte.
3. Wie ist es denn nun aber mit den Braunkohlen, die ebenfalls
in vielen Gegenden Deutschlands in mächtigen Lagern gefunden werden?
Auch sie sind aus Holz und anderen Pflanzentheilen, namentlich der Palmen
und Nadelholzbäume entstanden. Sie liegen aber noch nicht so lange in
der Erde vergraben wie die Steinkohlen. Man findet in ihren Lagern
daher noch ganze Stämme mit Holzringen, Ästen, Blättern und Früchten,
deren Gestalt sich deutlich erkennen läßt. Nicht selten sehen die Braun-
kohlen aus wie alte, angebrannte Scheite Holz. Diese holzigen Stiicke sind
aber nicht die besten, sondern die glänzend braunen. Am wenigsten gut
sind die wie Erde zerfallenden. Diese werden erst naß gemacht, in„Formen
gedrückt und getrocknet, damit man sie bequemer benutzen kann. Übrigens
sind tue Braunkohlen weniger geschätzt als die Steinkohlen; sie werden meist
bloß in der Gegend verbraucht, in der sie gewonnen werden.
Nach H. Wagner.
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Helmrich, Vaterland. Lesebuch.