1880 -
Sondershausen
: Eupel
- Hrsg.: Helmrich, Karl, ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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9.
Ein grimmer Leu, ein wilder Stier,
die stürzen in die Schranken
begegnen sich mit Kampfbegier,
und keiner wollte wanken.
10.
Jetzt aber reißt des Leuen Zahn
den Ur in dem Genicke
und reißt ihn nieder auf den Plan,
Blut, Fen'r und Wut im Blicke.
11.
„Wer ist von euch," — so fragt Pipiu
und blitzte durch die Reihen —
„wer ist von euch so stark und kühn,
entreißt die Beut' dem Leuen?"
12.
Da machten große Augen zwar
ringsum die großen Leute;
doch jeder bebt vor der Gefahr,
und keiner will zum Streite.
13.
Und wie noch alle schweigend stehn
und an dem Kampf verzagen,
sieht man Pipiu zum Kampfplatz gehn,
allein den Strauß zu wagen.
14.
Er ruft den blut'gen Löwen au
mit donnerreicher Stimme;
der stürzt auf ihn mit Mut heran
und brüllt vor wildem Grimme.
15.
Und alles Volk sieht es mit Graus,
Pipiu nur ohne Grausen,
sein gutes Schwert zur Scheid' heraus,
läßt's durch die Lüfte sausen.
16.
Und schlägt den Löwen in den Bart,
daß todt er niederstürzet.
Das war ein Schlag nach Heldenart,
mit Heldenkraft gewürzet!
17.
Nun rafft der wilde Ur sich auf,
den neuen Feind er wittert,
und rennt heran mit vollem Lauf,
daß Schrank' und Boden zittert.
18.
Doch unser Held steht mauerfest
und wankt nicht von der Stelle:
das Schwert er wieder sausen läßt
und schwingt's mit Blitzes Schnelle.
19.
Und trifft den Schnaubenden so gut
dicht an des Nackens Rande —
da spritzt zum Himmel schwarzes Blut,
das Haupt stürzt hin zum Sande.
20.
Wie nun, ihr großen Recken ihr,
was dünkt euch von dem Kleinen?
Mag nun der Held im Kampfrevier
euch groß genug erscheinen? —
21.
Es stehn beschämt die Spötter wert,
gesenkt die stolzen Blicke;
Pipiu steckt ein sein gutes Schwert,
daun tritt er schnell zurücke.
22.
Des Volkes Jubel aber füllt
ringsum die weiten Schranken,
empor ihn hebend auf dem Schild,
zeigt ihn der Frank dem Franken.
23.
Als König grüßt ihn alle Welt,
die Spötter müssen schweigen
und ihm, der Leu und Ur gefällt,
demütiglich sich neigen.
24.
Und Barden singen allzumal
vom Stier- und Löwen-«Sturze;
Pipiu glänzt in der Fürsten Zahl;
groß war Pipiu der Kurze.
Baur.
10. Kaiser Karl der Große.
^ 1. Im uralten Münster zu Aachen steht ein schlichter Grabstein.
Darauf sind die Worte zu lesen: „Karl dem Großen." Bei diesem Namen
soll jedermann an den großen Kaiser Karl gedenken, dessen Name vor mehr
als tausend Jahren gepriesen und gefürchtet war von Christen und Heiden
bis ins ferne Morgenland; denn er führte ein siegreiches Schwert und
war doch groß und gut und regierte christlich und weise. Er beherrschte
von 768 bis 814 das große Frankenreich, das nach und nach seine Grenzen
über das heutige Frankreich, Deutschland bis zur Elbe, Holland und die